PopCo
Erwartet sie, dass ich etwas
sage? Ich wüsste ja gar nicht, was.
«Für dich ist das aber nicht nur eine Tagungsaffäre, oder?», fragt sie schließlich.
«Ich weiß es nicht», sage ich aufrichtig. «Aber ich glaube nicht.»
Chloë blickt zu Boden, als wäre sie verlegen.
«Er findet dich nämlich ziemlich toll, weißt du?»
Jetzt bin ich auch verlegen und muss lachen. Wie ich solche Gespräche hasse! «Äh … tja, das … ach Gott. Ich glaube, ich finde ihn auch ziemlich toll.» Ich sehe mich in meinem Zimmer um, betrachte das Bett, in dem ich
seit ein paar Tagen lebe, und einen Moment lang verschwimmt alles, und es kommt mir vor wie ein Boot, das auf dem Meer Schiffbruch
erlitten hat. Gleich darauf ist es wieder nur ein Bett. Die alten Erinnerungen. «Aber ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was
er an mir finden könnte», sage ich. «Ich halte mich nämlich nicht für besonders toll. Und so, wie ich mich im Augenblick fühle …» Ich bin schon drauf und dran, Chloë zu erzählen, wie krank und unsexy ich mir seit Tagen vorkomme; aber dafür kenne ich
sie noch nicht gut genug, deshalb rudere ich ganz bewusst ein Stück zurück und sage stattdessen: «Die meiste Zeit weiß ich
ja nicht mal, wer ich bin.»
Höre ich mich jetzt an wie das alberne junge Mädchen, das ich früher einmal war?
Ich bin eben verrückt. Ich bin ja so durcheinander. Mein Leben ist so schrecklich kompliziert. Ich, ich, ich. Schaut euch
nur an, wie kaputt ich bin. Sehe ich aus, als würde ich Drogen nehmen? Meine Verrücktheit macht mich viel interessanter.
Ich brauche dringend noch einen Espresso und ein paar französische Zigaretten.
Doch Chloë lächelt nur und sagt: «Ben hat eine ganz gute Menschenkenntnis.» Ich warte auf die große «Du darfst ihm nicht weh
tun»-Arie, doch die bleibt aus. Stattdessen steht Chloë auf und dreht eine Haarsträhne um den Finger, die sich aus der Spange
gelöst hat.
«Falls Esther doch noch kommen sollte, sagst du ihr bitte, dass ich sie gesucht habe?», sagt sie auf dem Weg zur Tür.
«Klar», sage ich.
Dann ist sie fort.
Dann schauen wir doch mal, was der heutige Briefumschlag enthält. Ich nehme ihn vom Sekretär und erwäge flüchtig, die Sache
abzukürzen und ihn gleich ungelesen zu verbrennen. Aber das mache ich natürlich nicht. Stattdessen öffne ich ihn und ziehe
den Brief heraus. Es ist tatsächlich ein Brief, mit offiziellem PopCo-Briefkopf, und dazu noch ein anderes Blatt. Ich falte
es auseinander. Ein Aktienzertifikat. Ach du Schande. Was geht hier vor?
Liebe Alice Butler
, beginnt der Brief.
Herzlichen Dank für Deine Teilnahme an unserem Testspiel und für den Vorschlag, das Spiel, an dem Du teilgenommen hast,
Paddel Z
zu nennen. Obwohl wir natürlich sehr viele Feedbackbögen und Vorschläge bekommen haben, waren wir doch alle der Ansicht, dass
Deine Idee das Produkt am überzeugendsten trifft. Besonders gefällt uns das spielerische Nebeneinander des technischen Begriffs
«Paddel» und des Buchstaben Z. Wir finden die Vielseitigkeit dieser Kombination geradezu bestechend. Steht dieses Z für einen ominösen « Z-Faktor », der vielleicht noch aufregender ist als der allseits bekannte X-Faktor ? Oder ist
PaddelZ
eine supermoderne Pluralform? Der Name lässt beide Möglichkeiten zu. Deshalb freuen wir uns, Dir heute mitteilen zu dürfen,
dass wir ihn als offiziellen Produktnamen ausgewählt haben. Anbei findest Du ein Zertifikat über eintausend PopCo-Aktien.
Eine Kiste Champagner wird an Deine
Privatadresse zugestellt, sobald Du von Deinem derzeitigen Einsatz zurück bist. Noch einmal herzlichen Dank für Deinen wertvollen
Beitrag! Mit den besten Grüßen, blablabla …
Du liebe Zeit. Ich habe das doch nur hingeschrieben, weil mir nichts Besseres eingefallen ist. Eintausend Aktien. Was die
wohl wert sind? Sehr viel weniger vermutlich, als sie einer professionellen Werbeagentur dafür zahlen müssten, sich einen
Namen auszudenken, aber bestimmt auch sehr viel mehr, als ich im Monat verdiene. Und was soll ich mit einer Kiste Champagner?
Eine Flasche könnte ich mit Rachel trinken und ihr dabei von den seltsamen Erlebnissen hier erzählen. Vielleicht kommt ja
auch mal Ben vorbei und trinkt eine Flasche mit mir. Als ich mir Ben in meinem Haus, in meinem Bett vorstelle, muss ich unwillkürlich
zittern. Ist das tatsächlich mehr als eine Tagungsaffäre? Will er, dass es mehr wird? Und wo steckt er überhaupt? So
Weitere Kostenlose Bücher