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PopCo

PopCo

Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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impliziert: «Wenn du das
     nicht kaufst, bist du nicht mehr cool, keiner kann dich mehr leiden, alle lachen dich aus, und du kannst dich im Prinzip auch
     gleich umbringen. Diesen Tipp gebe ich dir, weil ich dein Freund bin und du mir vertrauen kannst.» Marketing gibt Produkten
     einen Wert, die von sich aus völlig wertlos sind. Wir kleben einem Stück Plastik ein Paar Augen auf, aber richtig zum Leben
     erwacht es erst durch das richtige Marketing. Marketing sorgt dafür, dass wir ein Stück Stoff, das vielleicht zehn Pence wert
     ist, für zwölf Pfund neunundneunzig verkaufen können. Wir spionierenKinder aus und stellen fest, dass sie gern mit Socken spielen, also verkaufen wir ihnen Socken. Das will ich nicht mehr machen.
     Das will ich wirklich ernsthaft nicht mehr machen.
    Ich verbrenne meine Storyboards in der Badewanne.
     
    «Du siehst etwas besser aus», sagt Ben, als er mir später das Abendessen bringt.
    «Danke», sage ich mit zittrigem Lächeln.
    «Wir machen morgen einen Ausflug», erzählt er mir, als wir fast mit dem Essen fertig sind.
    Ich stelle mein Tablett auf den Tisch zurück. «Einen Ausflug? Wohin denn?»
    «Nach Totnes. Komm doch einfach mit, wenn du dich besser fühlst, dann können wir zusammen mittagessen. Wir wollen uns Segelausrüstung
     kaufen – Segelschuhe, komische Hüte, was man halt so braucht.»
    Mein Lächeln gerät noch deutlich wässriger als das erste.
    «Was ist denn los?», fragt Ben.
    Ich kann nicht anders: Ich fange an zu heulen.
    «Alice?»
    «Ich vermisse meinen Großvater», schluchze ich. «Und meine Großmutter.»
    Ben holt mir Taschentücher, während ich weiter unzusammenhängendes Zeug rede. Wahrscheinlich ergibt nichts von dem, was ich
     sage, einen Sinn. Ich erzähle Ben, dass meine Großeltern sicher überhaupt nicht stolz auf mich wären, wenn sie wüssten, was
     ich hier treibe, dass ich gar nicht mehr weiß, wer ich bin und wo mein Leben hingeht, und dass ich sie gerade bereits zum
     dritten Mal enttäusche. Vielleicht ist es ja der Nikotinentzug oder das Medikament, vielleicht auch ein Anflug von PMS. Doch
     ich empfinde nun mal so, und es bricht sich alles Bahn, weil meine Schutzwälle nicht richtig funktionieren.
    «Ist ja gut», sagt Ben und streichelt mir den Arm. «Ist ja alles gut.»
    Als ich mich wieder beruhigt habe, legen wir uns nebeneinander aufs Bett und schauen zur Decke hinauf.
    «Ich kündige bei PopCo», sage ich schließlich.
    Ben schweigt einen Augenblick, dann stützt er sich auf den Ellbogen und sieht mich stirnrunzelnd an.
    «Warum denn?»
    «Ich glaube einfach nicht mehr daran», sage ich ernsthaft.
    Er fängt an zu lachen. «Alice   … mein Gott. Es glaubt doch kein Mensch daran. Deswegen musst du doch nicht gleich kündigen.»
    «Doch. Muss ich.»
    «Aber   …»
    Ich bin keinen Argumenten mehr zugänglich. Mein Entschluss steht fest.
    Kurz darauf geht Ben, um die Tabletts in die Küche zurückzubringen, und ich bin wieder allein. Er bleibt länger weg, als ich
     gedacht hätte, und nach einer Weile schlafe ich ein und träume vom Mond.

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
    W ir wollen mit Esthers Auto nach Totnes fahren. Die anderen nehmen Taxis, einige wollen auch lieber nach Newton Abbot oder
     nach Plymouth oder Exeter. Aber ich freue mich auf Totnes.
    Es fühlt sich ausgesprochen seltsam an, wieder angezogen im Bad zu stehen, ein bisschen so, als ertappte man sich plötzlich
     um drei Uhr morgens dabei, frisch geduscht und angezogen automatisch ins Auto zu steigen, weil man entweder den Wecker falsch
     gestellt hat oder einfach aufgewacht ist, weil die Gedanken keine Ruhe geben wollten. Ich habe mehrere Tage im Schlafanzug
     im Bett verbracht, deshalb kommt mir das jetzt so merkwürdig vor. Es geht mir aber sehr viel besser. Und aus irgendeinem Grund
     fühlt sich heute alles anders an, was nicht nur ein Gefühl ist, sondern eine Tatsache. Ich habe ewig gebraucht, um aus dem
     Bett zu kommen, weil ich plötzlich gemerkt habe, wie weich die Laken sind. Beim Anziehen musste ich ständig innehalten und
     jedes Kleidungsstück genau befühlen. Mein verwaschenes Baumwollhöschen, mein weiches, flauschiges Unterhemd, das dünne, leichte
     Gewebe des Baumwolloberteils und das warme, wollene Material meiner blauen Strickjacke. Mir ist noch nie aufgefallen, wie
     mein Rock sich bewegt. Wenn er mir um die Knie streicht, fühlt sich das an wie die Zunge einer Katze. Und apropos Katze: Bald
     sehe ich Atari wieder.
    Der Plan, der Plan. Habe

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