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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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allem aber denken wir, dass sich schon jemand anders darum kümmern wird, während
     wir hier jung sind und unser Ding durchziehen; dass schon jemand anders die Listen unterschreiben wird und wir einfach nur
     unseren vielen Freunden, die wir mit Sicherheit bald haben, erzählen können, wir wären auch gegen Tierversuche. Wir kommen
     gar nicht auf den Gedanken, dass dieser Stand und diese Leute da draußen im Regen jemals verschwinden könnten.
     
    Unsere neue Schule ist genauso, wie wir sie uns vorgestellt haben. Es gibt dort Rockabillys und Psychobillys, Mädchen,die wie Punks herumlaufen, und Jungs, die sich anziehen wie amerikanische Filmstars aus den Fünfzigern. Und alle schauen sie
     uns an, als wären wir noch Kinder. Wir müssen den Einsatz erhöhen, wissen aber nicht, wie wir das anstellen sollen. Wir sehen
     doch gar nicht schlecht aus. Wir hören die richtige Musik, was aber nicht leicht zu vermitteln ist. Wir hocken in unserem
     Lieblingscafé und träumen von dem Tag, an dem wir oft genug hier gewesen sein werden, um den Besitzern lustige Postkarten
     aus dem Urlaub zu schreiben, die sie dann hier an die Wand hängen. Wir schmieden Pläne, wie wir an Einladungen zu den Feten
     der anderen kommen können und wie wir es schaffen sollen, in dieselben Pubs zu gehen wie sie. Wir überlegen, wie wir uns Hasch
     besorgen können und wann und wo wir üben sollen, es zu rauchen, wie die anderen es tun. Wir sehnen den Tag herbei, wenn endlich
     einer von den mageren Jungs mit uns reden wird.
    Vor allem aber wünschen wir uns mehr Dinge, die wir kaufen können, und mehr Möglichkeiten herauszufinden, was wir überhaupt
     kaufen sollen. Wir durchforsten Wohltätigkeitsläden und Kostümgeschäfte, kommen aber einfach nicht hinter das Geheimnis, wie
     man so trendig wird wie die anderen im Kolleg. Dabei könnten wir noch so viel mehr mit unserem Kleidungsstil ausdrücken. Rachel
     hat mit Bio, Chemie und Physik angefangen, wechselt dann aber auf Bio, Englisch und Französisch. Das hilft ihr zwar nichts,
     wenn sie später Tiermedizin studieren will, aber die ganzen spannenden Leute belegen den neusprachlichen Zweig, nicht den
     naturwissenschaftlichen. Ich habe Sozialwissenschaft, Englisch und Französisch gewählt. In meinem Sozialwissenschaftskurs
     sitzen viele der besonders spannenden Leute. An dem Tag, als der Golfkrieg anfängt, diskutieren wir über den Weltuntergang
     und organisieren ein Sit-in, um dagegen zu protestieren.
    Während des Sit-ins sagt eine Frau namens Harriet zu Rachelund mir: «Wir dachten immer, ihr seid total arrogant.» Wir erzählen uns alle möglichen Geheimnisse, freunden uns an und flirten
     mit den Jungs. Harriet ist zwei Jahre älter als wir und geht erst seit kurzem wieder zur Schule, nachdem sie irgendetwas Aufregendes
     hinter sich hat, einen Nervenzusammenbruch oder einen Drogenentzug.
    «Und wir dachten, ihr mögt uns einfach nicht», sagt Rachel aufrichtig.
    Danach reden wir alle wie die Wasserfälle.
    Wir haben es tatsächlich geschafft, uns mit Harriet anzufreunden! Nach dem Sit-in lädt sie uns zu unserer ersten Fete ein.
     Wir rufen unsere Eltern beziehungsweise Großeltern an und erzählen ihnen, dass das Sit-in die ganze Nacht dauern würde und
     wir aufgrund unserer politischen Überzeugungen unbedingt bleiben müssten. Nur als mein Großvater sagt, er sei stolz auf mich,
     weil ich für das einstehe, was ich glaube, wird mir ein bisschen mulmig. Aber ich rechtfertige mich vor mir selber damit,
     dass ja alle Leute, die beim Sit-in waren, auch zu der Fete gehen, die damit streng genommen tatsächlich eine Art Fortsetzung
     ist. Ich habe also gar nicht richtig gelogen.
    Als Rachel mit ihren Eltern redet, sagen sie zu ihr: «Halt dich an Alice, sie ist vernünftig.»
    Die Fete findet in einem besetzten Haus in der Nähe der Mill Road statt. Das ist mit Abstand der aufregendste Ort, an dem
     wir jemals waren. Ein riesengroßes Haus, in dem überall Leitungen verlegt sind. In jedem Zimmer steht ein altes oder gestohlenes
     Telefon, das mit den anderen verbunden ist. Die Frau im obersten Stock kann also einfach jemanden unten anrufen und ihn bitten,
     ihr einen Joint raufzubringen. Alle Leute, die hier wohnen, haben Fahrräder, die meisten davon geklaut. Sie leben genau das
     antibürgerliche Leben, das wir aus Filmen und Zeitschriften kennen!
    Wie sich herausstellt, wird auf dieser Fete weder getanztnoch gegessen. Stattdessen hocken alle in dem großen, verstaubten

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