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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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weißt du», sage ich, «ich bin bei meinen Großelternaufgewachsen, die waren beide Nachkriegssozialisten. Sie glaubten an Gleichberechtigung, an den Sozialstaat und an die Gewerkschaften.
     Ich will mir gar nicht vorstellen, was sie zu unserer heutigen Welt sagen würden. Das hat sich alles so schnell verändert.
     Mein Großvater war der Ansicht, dass sämtliche Arbeit gleich viel wert sein und jeder Mensch überall auf der Welt den gleichen
     Stundenlohn dafür bekommen sollte.»
    «Das gefällt mir!» Chloë ist begeistert. Sie trinkt ihren Kaffee in kleinen Schlucken, weil er immer noch sehr heiß ist. «Aber
     gut, wo war ich? Ach ja, andere davon abhalten, Unrecht zu tun. Wir finden, es sollte überall auf der Welt illegal sein, Tieren
     oder Menschen aus Profitgründen Schmerz zuzufügen oder sie zu töten. Wir haben keine Ahnung, wie man das bewerkstelligen soll,
     aber das betrifft auch nicht mehr uns, sondern eher die nächste oder sogar übernächste Generation. Wir wollen nur das aufhalten,
     was im Moment passiert. Und was die Kein-Unrecht-Politik im Privatleben angeht   …»
    «Ihr seid alle Veganer», sage ich. «Das ist mir schon aufgefallen.»
    «Ja», bestätigt Chloë. «In Situationen wie dieser, wo viele von uns zusammen sind, ist das oft recht schwierig. Die vielen
     Veganer sind verschiedenen Leuten aufgefallen, und wir hatten schon die Befürchtung, dass es vielleicht   … na ja   … mehr Aufsehen erregen könnte als nötig. Meine Sorge war vor allem, die PopCo-Führungskräfte könnten Verdacht schöpfen, dass
     wir bei NoCo sind, wenn ihnen das auffällt. Viele Konzerne wissen ja bereits, dass es uns gibt. Aber andererseits gibt es
     hier auch viele Leute, die nach der Atkins- oder sonst einer abgedrehten Diät leben, da kann man sich ganz gut verstecken.
     Ich glaube, wir haben es einigermaßen hingekriegt.»
    «Sind denn bei NoCo alle Veganer?», frage ich.
    «Nicht alle. Allerdings erwarten wir von neuen Mitgliedern, dass sie in ihrem persönlichen Lebensstil ein paar Opfer bringen.Fleischesser sollten Vegetarier werden, und Vegetarier werden ermuntert, sich vegan zu ernähren. Außerdem bemühen wir uns,
     das Konsumdenken im eigenen Leben zu reduzieren. Wir versuchen, uns an die Maxime zu halten, nicht unrecht zu handeln, allerdings
     immer im Rahmen des dritten Grundsatzes:
Tu, was du kannst
. Man muss bei NoCo nicht gleich zum Asketen werden. Die meisten von uns rauchen beispielsweise, obwohl NoCo auch sehr gegen
     die Tabakindustrie ist.»
    Ich muss daran denken, was Ben zu mir gesagt hat:
Man tut, was man kann
.
    «Aber es ist schon seltsam», fährt Chloë fort. «Wenn man einmal angefangen hat, nach diesem Grundsatz zu leben, läuft man
     schnell Gefahr, ziemlich merkwürdig dazustehen. Die meisten Billigklamotten und alles, was hip ist – vor allem die Sachen,
     die hier bei PopCo getragen werden   –, werden in Sweatshops hergestellt. Darum gibt es auch inzwischen so viel Auswahl, viel mehr als früher in unserer Kindheit.
     Die Firmen können es sich leisten, die neuesten Styles am Fließband zu produzieren, weil sie so gut wie nichts dafür bezahlen
     müssen. Wenn man bei NoCo ist, neigt man dazu, so etwas abzulehnen und lieber im Wohltätigkeitsladen einzukaufen. Aber wenn
     wir nicht aufpassen, sind wir irgendwann ein Trupp Veganer, der aussieht wie Studenten aus den Achtzigern, in den großen Unternehmen
     herumlungert und auf Sabotagemöglichkeiten wartet.» Sie lacht. «Da würde uns doch jeder sofort erkennen. Darum enthält mein
     monatliches Mitteilungspaket auch immer viele Tipps und Tricks, wo man beispielsweise Klamotten findet, die ohne Grausamkeit
     hergestellt wurden, aber trotzdem cool sind, oder tagesaktuelle Listen der veganen Gerichte in den wichtigsten Restaurants
     der Städte, in denen viele NoCo-Mitglieder wohnen. Dann braucht man nicht zu fragen, wenn man beispielsweise mit einem Kunden
     zum Mittagessen verabredet ist. Nur weil man merkwürdig ist, muss man nochlange nicht so wirken. Angeblich gibt es inzwischen schon NoCo-Köche, die extra vegane Gerichte auf die Karte nehmen und uns
     das mitteilen. Außerdem gebe ich Informationen über Ökokisten und ähnliche Angebote weiter und über Läden, die auch außerhalb
     der normalen Öffnungszeiten ethisch unbedenkliche, vegane Produkte verkaufen. Wir sitzen schließlich alle so lange im Büro,
     dass wir praktisch gezwungen sind, in den großen Supermärkten einzukaufen. Aber wir haben

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