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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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einem zumindest ein kleines Stück des Unternehmens gehört, das man reinreiten will. Und es verschafft
     uns auch mehr Möglichkeiten. Ein Plan sieht so aus, dass wir alle an einem bestimmten Tag sämtliche Aktien von sämtlichen
     Unternehmen verkaufen, in die wir gemeinsam investiert haben. Und wenn wir einmal richtig viele sind, können wir auch heimlich
     ‹kauffreie› Tage vereinbaren. Mit so was kann man den Markt völlig durcheinanderbringen. Erst stiften wir Chaos, dann ruinieren
     wir sie. Nur ethisch einwandfreie Unternehmen bleiben verschont. Und das Coolste daran ist, dass wir das alles aus dem Markt
     heraus erreichen können. Wir sind ja selbst Arbeitskräfte und Konsumenten, wir können die Marktkräfte also beeinflussen. Diesen
     Einfluss werden wir bündeln und uns auf möglichst effiziente Weise zunutze machen. Margaret Thatcher wird sich die Augen ausheulen,
     falls sie dann überhaupt noch lebt, wenn sich ihr schöner freier Markt irgendwann selbst aufs Kreuz legt. Und die Regierungen
     werden gar nichts dagegen tun können.»
    Meine Gedanken rasen. Das also ist die Idee, auf der NoCo basiert.
    «Wir sind die neue Arbeiterklasse», fährt Chloë fort. «Das neue Proletariat, wenn du so willst. Nur dass wir eben nicht mehr
     in Fabriken arbeiten, sondern in klimatisierten Büros, in Ateliers und Call-Centern. Und so, wie wir unsere Arbeit nicht mehr
     unter Einsatz von Händen und Körperkraft verrichten und uns nicht mehr mit riesigen Maschinen abquälen müssen, wird auch unsere
     Revolution keine physische sein. Es wird eine Revolution der Ideen. Sie bringen uns bei, Marken zu entwickeln. Traditionell
     wurden nur Tiere, Sklaven undsonstige Besitztümer markiert, aber inzwischen ist die Markierung mehr wert als der Gegenstand. Das Geld der Unternehmen fließt
     in Leute wie uns, in die Leute mit den Ideen, in Werbung, Marketing, Design. Die Produkte selbst bestehen eigentlich nur aus
     Plastik, Kunstfasern, toten Tieren, Chemikalien und Lügen. Und unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass das Etikett an diesem
     Stück Nichts Kindern und Jugendlichen so viel bedeutet, dass sie ihr Geld für unsere Produkte ausgeben und wir uns wiederum
     unsere kleine Wohnung in London leisten können und unser Chef sich seinen Business-Class-Flug.» Chloë schenkt mir ein breites
     Grinsen. «Aber mit dem Material, das sie uns zur Verfügung stellen, erledigen wir ganz klammheimlich einen anderen Job.» Sie
     schweigt einen Augenblick. «Also, bist du dabei?»
    «Ja», sage ich. «Klar bin ich dabei.»
    «Es gibt leider keine Einführungsmappe. Wir haben auch keine offiziellen Unterlagen, keine Mitgliedsurkunde und solche Sachen.
     Das hat den Vorteil, dass man uns nicht so einfach abschaffen kann, wie sie das mit den Gewerkschaften vorhatten, weil wir
     nämlich gar nicht existieren. Und man kann auch keine rechtlichen Schritte gegen uns einleiten. Wir sind ja nur ein paar Leute,
     die ihren Job nicht richtig machen. Klar kann man den Jungen einbuchten, der seine Grafitti-Slogans quer über die Fassade
     eines Hamburgerladens sprüht. Aber man kann niemanden einsperren, weil er eine schlechte Marketingkampagne entwickelt hat.»
    Da hat sie recht. Diese Widerstandsbewegung basiert darauf, Aufgaben nicht richtig zu erledigen. Wer kann so was in dieser
     verrückten neuen Welt der Ideen, Marken und Gedanken überhaupt noch feststellen?
    «Du hast vorhin von meinen speziellen Fähigkeiten gesprochen», sage ich. «Meinst du damit Codeknacken und das alles?»
    Sie nickt. «Ja, genau. NoCo braucht dringend einen Code oder eine Chiffre für die geheime Kommunikation untereinander. Und
     wir brauchen Mitglieder, die sich mit der Entwicklung befassen. Ich habe eben erwähnt, dass ich jeden Monat ein Mitteilungspaket
     von meinem direkten ‹NoCo-Nachbarn› bekomme. Solche Pakete enthalten alle möglichen Informationen, die ich dann an meine Mitglieder
     weitergebe, aber auch die Aufforderung, alle speziellen Fähigkeiten und Ideen unserer Gruppe zurückzumelden. Als ich gehört
     habe, dass Experten für Codierungsarbeiten gesucht werden, ist mir dein KidCracker-Set eingefallen, und wir haben dich etwas
     genauer unter die Lupe genommen. Wenn du einverstanden bist, gebe ich deine persönlichen Daten weiter. Wahrscheinlich wird
     man dich dann für ‹spezielle Aufgaben› abstellen. Mit anderen Worten: Du bekommst den Auftrag, etwas zu entwickeln, das irgendwann
     über die ganze Organisation verteilt werden

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