PopCo
gegen die drei, bis die Schule wieder anfängt. Manchmal darf ich auf Pippin reiten, dem Pferd von Rachels Schwester,
wenn sie nicht da ist. Reiten macht mir Angst, aber es macht auch Spaß, und man muss immer aufpassen, dass man nicht von tiefhängenden
Ästen geköpft wird.
Mein Großvater spielt Cricket in der Dorfmannschaft. Die anderen Spieler sagen immer, dass er so lange weiterspielen wird,
bis er irgendwann an der Schlaglinie zusammenbricht. Ich mag es nicht, wenn sie so was sagen, aber sie lachen immer sehr darüber.
An den Samstagen fahren sie manchmal mit ihrem klapprigen alten Bus zu Auswärtsturnieren in den umliegenden Dörfern, und ich
darf mitfahren, offiziell, um mit dem Tee zu helfen. Ich finde es aber schrecklich, mit dem Tee helfen zu müssen. Traceys
Oma kümmert sich darum, und die riecht so komisch nach vergorenen Früchten. Außerdem kommen immer Wespen und fliegen in die
Marmelade, das finde ich eklig. Und ich würde sowieso viel lieber Cricket spielenals mit Marmeladengläsern hantieren. Ich habe sogar schon einen eigenen Schläger und eigene Pads, die ich im Juli zum Geburtstag
bekommen habe. Aber ganz egal, wie lange ich erwartungsvoll am Rand stehe und für mich allein den Ball schlage: Sie holen
mich nie aufs Spielfeld. Ich darf nicht mal mitmachen, wenn sie einen Mann zu wenig haben. Das finde ich unfair. Sie behaupten
immer, ich wäre noch zu jung, aber Colin Clarke darf auch spielen, wenn sie wirklich zu wenige sind. Ich glaube, es ist, weil
ich ein Mädchen bin.
Eines Tages höre ich, wie mein Großvater mit dem Kapitän über mich redet.
«Komm schon, Mike», sagt er. «Lass sie auch mal mitspielen.»
Mike runzelt die Stirn. «Und wo soll sie sich umziehen?»
«Sie braucht sich nicht umzuziehen. Ich bin auch nie in der Umkleide.»
Das stimmt. Wie die meisten anderen Spieler kommt er in seinen alten Cricket-Sachen zum Spiel und geht damit auch wieder nach
Hause. Den Umkleideraum benutzt eigentlich niemand, bis auf den Buchhalter Bob, und der auch nur, weil er nebenher Squash
spielt.
«Ja, aber trotzdem müssten wir die nötigen Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Das ist gesetzlich vorgeschrieben.»
«Dann bauen wir ihr eben eine eigene Umkleide. Nächstes Mal bringe ich ein Zelt mit! Fertig! Problem gelöst!»
«Und wie sollen wir das den Bowlern von der gegnerischen Mannschaft beibringen? Die werden denken, sie müssen Rücksicht auf
sie nehmen, und das wäre doch auch unfair. Die trauen sich ja gar nicht richtig zu werfen, wenn da so ein … na ja, so ein
Kind
steht.»
«Bei Colin trauen sie sich doch auch.»
Mike zuckt die Achseln. «Er spielt ja auch schon in der Junior-Mannschaft. Er kommt alleine klar.»
«Alice auch. Sie wirft inzwischen ganz passable Spins. Nunhab dich nicht so, Mike. Lass sie zumindest einmal auf der Elf spielen. Das rettet ihr den ganzen Sommer!»
Aber da irrt sich mein Großvater. Mein Sommer ist bereits dadurch gerettet, dass ich diese Unterhaltung belauscht habe. Er
findet, ich wäre gut genug für die Mannschaft! Meine Chance auf ein Spiel kommt allerdings nie, aus dem einfachen Grund, dass
mein Großvater völlig überraschend beschließt, selbst nicht mehr mitzuspielen.
«Wir spielen jetzt alleine Cricket», sagt er zu mir. «Hier bei uns im Garten.»
***
Für die Meditationsstunde gesellt sich auch Mac zu uns. Er wechselt ein paar Worte mit ein paar Leuten (allerdings nicht mit
mir) und setzt sich dann irgendwo hinten hin, um mitzumachen. Ich kann kaum noch nachvollziehen, warum es noch vor zwei Tagen
eine Riesensache war, ihm zu begegnen. Jetzt ist er die ganze Zeit mit von der Partie, und mein großartiges Geheimnis – das
Gespräch mit ihm bei der Ankunft hier – ist plötzlich etwa genauso viel wert wie ein Motor ohne Benzin. Wir sitzen auf einer
Wiese unterhalb des Haupthauses, unter einem uralten, knorrigen Baum. Die Meditationslehrerin hat eine sanfte Stimme und langes
braunes Haar, das sie zu zwei Zöpfen gebunden hat. Ich habe noch nie meditiert, doch als ich es jetzt versuche, stelle ich
fest, dass es einen ganz ähnlichen Effekt hat wie Drogen: als würde man sich in sich selbst zurückziehen. Und es ist auch
gar nicht so schwierig, wie ich gedacht hätte. Man muss einfach nur die Augen schließen und sich auf irgendetwas konzentrieren,
und was genau man tut, merkt man eigentlich erst, wenn man wieder damit aufhört und die Welt plötzlich zugleich klarer und
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