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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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sitzt die ganze Zeit in ihrem Arbeitszimmer, und mein Großvater recherchiert in der Universitätsbibliothek
     für seine neue
Kopfnuss
-Kolumne. Ich verbringe meine Tage damit, das Dorf zu erkunden. Die meiste Zeit bin ich allein, aber das macht mir nichts
     aus. Wenigstens bin ich nicht mehr schiffbrüchig.
    Ich habe angefangen, an meinem Medaillon zu arbeiten. Damit meine ich, dass ich versuchen will, die merkwürdige Zeichenfolge
     darauf zu entschlüsseln. 2.14488156Ex48.   Was soll das heißen? Und was ist mit dem kleinen Wellenmuster darunter? Noch bin ich nicht sehr weit gekommen, aber dieses
     Medaillon, davon bin ich überzeugt, muss der Grund dafür sein, dass mein Vater fortgegangen ist und mein Großvater sich in
     letzter Zeit so komisch verhalten hat. Früher war er immer ein ganz kuschliger Mensch, ein bisschen wie ein Bonbonladenbesitzer
     aus dem Bilderbuch. Jetzt hat man ständig das Gefühl, dass ihn ein Geist verfolgt, den sonst keiner sehen kann. Bei meiner
     Arbeit an der Kette muss ich ganz heimlich vorgehen. Nachts muss ich nach unten geisterschleichen und nachschauen, ob ich
     die Symbole vielleicht in irgendeinem Buch wiedererkenne oder wenigstens rausfinden kann, worum es bei der ganzen Sache eigentlich
     geht. Geisterschleichen ist eine besondere Fähigkeit, die ich mir selbst ausgedacht habe. Man muss dazu dicke Socken tragen
     und die Füße ganz langsam und vorsichtig abrollen, damit man nur ja kein Geräusch macht. Man muss sich vorstellen, dass der
     Fuß bei jedem Schritt mit dem Boden verschmilzt:
Ferse, Ballen,
Zehen
, genau so, ganz langsam. Und wenn man auf der Treppe geisterschleicht, muss man sich auf der Außenseite der Stufen halten,
     weil sie in der Mitte nämlich knarren.
    Eines Nachts bin ich sogar erwischt worden! Ich war unten im Wohnzimmer und wollte gerade ein Buch aufschlagen, als ich von
     oben Bettfedern quietschen hörte und dann eine Tür, die geöffnet wurde. Ich dachte kurz daran, mich zu verstecken, aber das
     würde ja nichts bringen. Vielleicht schaute der Großelternteil, der da aufgestanden war, zuerst in mein Zimmer, bevor er nach
     unten kam. Dann würde er ahnen, dass ich mich hier irgendwo verstecke, und gleich vermuten, dass ich etwas im Schilde führe.
     Nein, ich musste mir etwas anderes überlegen. Ich hörte die verschiedenen Teile meines Gehirns klickern und klackern wie das
     Zahlenschloss an einem Safe bei der Suche nach der richtigen Kombination. Als meine Großmutter schließlich ins Zimmer kam,
     lief ich mit glasigem Blick herum und verfehlte nur knapp die Kanten der Möbel.
    «Ach, Alice», sagte sie nur und führte mich sanft zurück in mein Zimmer.
    «Na, gut geschlafwandelt?», fragte mich mein Großvater am nächsten Morgen beim Frühstück.
    Ich tat so, als wüsste ich gar nicht, wovon er redet.
     
    Als die Sommerferien richtig anfangen, ist mein Großvater wieder öfter zu Hause, und seine Laune hat sich auch gebessert.
     Er bringt mir Kartentricks bei, Leg-Spins und Substitutionschiffren. Jetzt im Sommer gibt es sogar ein paar Kinder im Dorf,
     mit denen ich angeblich spielen wollen sollte. Der Trupp besteht aus zwei hochnäsigen Brüdern, James und Vaughan, die beide
     Rugby spielen, einem Mädchen namens Rachel, das ein eigenes Pony hat, und einem weiteren Mädchen, das Ohrlöcher hat und Tracey
     heißt. Tracey scheint eher die Außenseiterin zu sein. Die anderen sind alle drei auf teuren Internaten, nurTracey nicht. Ich selber bin eine unbekannte Größe, weil ich noch auf keiner neuen Schule angemeldet bin. Außerdem sind sie
     mir alle etwas suspekt, und obwohl ich furchtbar gern einmal auf Rachels Pony reiten würde, hänge ich mich anfangs an Tracey.
     Ich bringe ihr Substitutionschiffren bei und schicke ihr Geheimbotschaften, die sie aber leider nie entziffert kriegt – und
     das, obwohl sie ein Jahr älter ist als ich! Ich habe auch einen ausgefeilten Plan, wie wir den anderen Terrain abjagen können,
     vor allem ein paar strategische Punkte auf dem Sportplatz am Fluss, wo sie immer ihre komischen Knutschspielchen machen. Aber
     Tracey hat keine Lust dazu. Sie will mir lieber etwas über Schminke und Popmusik erzählen. Ich habe den Verdacht, dass ihr
     die Knutschspielchen auch Spaß machen würden. Also desertiere ich und tue mich stattdessen mit Rachel zusammen. Im Lauf des
     Sommers läuft Tracey zu den Jungs über (wir vermuten, dass sie heimlich mit James händchenhält), und wir führen erbarmungslos
     Krieg

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