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«albernen» Aspekt könnte man beispielsweise durch «Wackelräder»,
«Wahnsinnsaugen» oder «Killerzungen» abdecken, die als Ergänzung zum jeweiligen Board erstanden werden können. Vielleicht
könnte es sogar «Gift» verspritzen, wenn man ein bestimmtes Pedal bedient?
Oder aber: ein Bausatz, der Gefühle zeigt und einen Bezug zur Umwelt und dem Wort «süß» hat. Das müsste etwas im Stil der
Meccano-Baukästen sein – ein Produkt, bei dessen bloßer Erwähnung alle Kreativen aus der Spielzeugbranche und dazu noch sämtliche
Ingenieure und Architekten feuchte Augen kriegen, weil sie damit noch Bauen gelernt haben, es aber heute nicht mehr hergestellt
wird. Was aus den neuen Bausteinen hergestellt wird, könnte nach bestimmten Kriterien «froh» oder «traurig» sein. Eine Wand
ohne Fenster wäre beispielsweise «traurig». Oder das Baumaterial wird traurig, wenn etwas schlecht für die Umwelt ist? Ich
bin mir nicht ganz sicher, ob das machbar wäre – es geht vielleicht ein bisschen sehr in die K I-Richtung , und außerdem ist es viel zu pädagogisch. Aber ein Baukasten mit «süßem» Image würde sicher gut ankommen, zumindest bei Mädchen.
Ich nehme das Zufallswort «Elfen» dazu und verbringe die nächste Viertelstunde damit, ein Produkt zu entwerfen, mit dem kleine
Mädchen Häuser für Elfen bauen können, Geschäfte und theoretisch sogar ganze Städte, die sie dann im Garten aufstellen könnten.
Wie Vogelhäuschen – nur für Zauberwesen! Als ich mich bei der Frage ertappe, woran man denn merken könnte, ob auch ein paar
Zauberwesen da waren, höre ich auf und kritzele stattdessen ein bisschen vor mich hin.
Mir tut im wahrsten, körperlichen Sinn des Wortes das Gehirn weh, und trotzdem kann ich es nicht abstellen. Meine Kritzeleien
– etliche Kuben und eine große Spirale – bringen mich plötzlich auf die Idee, wie man ein dreidimensionales Go-Spiel gestalten
könnte, und schon habe ich ein geheimnisvolles Brettspiel, das groß, witzig und komplex ist. Die Matrix hat sich in mein Hirn
gefressen. Wie spielt man dreidimensionales Go? Man würde die Steine nach wie vor auf den Schnittpunkten der Felder platzieren,
aber um einen Stein zu umzingeln, müsste man nicht nur die vier ihn umgebendenSchnittpunkte auf dem ebenen Spielbrett besetzen, sondern die sechs, die sich aus der Dreidimensionalität ergeben. Meine Kritzeleien
werden immer konfuser, ich weiß nicht einmal mehr, ob jeder Schnittpunkt tatsächlich von sechs weiteren umgeben wäre. Langsam
ist mein Kopf wirklich im Eimer.
Rechts neben mir schreibt Dan so fieberhaft, als säße er in der wichtigsten Prüfung seines Lebens. Esther, die links neben
mir sitzt, schaut verträumt aus dem Fenster.
«Also», sagt Ned. «Auf wie viele Produktideen seid ihr gekommen?» Er schaut nacheinander verschiedene Leute an, und sie antworten
mit Zahlen, die er an die Tafel schreibt. Grace hat vier Ideen gehabt, Richard sieben. Und ich lerne bei dieser Runde nebenbei
noch ein paar Namen. Der Riesenkerl mit den Tattoos heißt Frank, Bens braunhaarige Begleiterin heißt Chloë und das Mädchen
mit den rosa Rattenschwänzen Mitzi. Den Namen Hiro, den Mac am Samstagabend aufgerufen hat, kann ich jetzt einem mageren Japaner
mit kurzem schwarzem Haar zuordnen. Alle vier hatten jeweils sechs Ideen.
«Siebzehn», sagt Dan, als Neds Blick auf ihn fällt. Meine Güte! Ich sage, dass ich vier Ideen hatte, und Esther nennt mit
leicht betretener Stimme zwei.
«Dann haben wir also in diesem Raum innerhalb eines einzigen Nachmittags ganz genau zweihundertundeine Idee entwickelt. Gar
nicht mal so übel, oder?» Ned lächelt uns an. «Das Entscheidende an der Matrix ist natürlich, die vorhandenen Spalten und
Parameter kreativ zu nutzen. Wir sehen uns am Mittwoch wieder. Vielleicht könnt ihr bis dahin darüber nachdenken, welche weiteren
Parameter wir noch verwenden könnten. Und ich würde euch bitten, eine eurer Ideen zu einem konkreten Produktvorschlag auszuarbeiten.»
Unter lautem Stühlerücken stehen wir alle auf.
***
Mein neues Zuhause ist sehr viel stiller als die alte Wohnung. Es fahren nicht mehr ständig Lastwagen vorbei, und draußen
vor dem Fenster brüllen sich keine Leute an. Ich muss nicht mehr zur Schule, weil die großen Ferien sowieso bald anfangen
und es wenig brächte, mich für die verbleibenden zwei Schuljahreswochen noch irgendwo anzumelden. Ich bin also völlig frei.
Meine Großmutter
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