PopCo
herausgefunden hast, wie man die Dinger
knackt, das wäre mir dann doch zu gruselig.»
Er grinst. «Keine Sorge. Aber sie gefallen mir schon. Und außerdem gefällt mir de Bonos Konzept, den Zufall zu nutzen, um
Ideen zu entwickeln oder Probleme zu lösen.»
«Wie, dieser ganze Mist nach dem Motto: ‹Schlagen Sie Ihr Wörterbuch einfach irgendwo auf›?»
Herrgott, Alice, geht’s vielleicht noch ein bisschen herablassender?
«Ja. Ich habe das alles einfach bisher nie so gesehen. Hört sich das jetzt lahm an?»
«Nein! Nein, gar nicht. Entschuldige. Ich glaube, ich bin einfach ein bisschen müde.»
Klar, du hast ja auch die letzte Stunde damit verbracht, draußen im Regen zu vögeln.
«Falls ich desertiere, darfst du mich gerne exekutieren», sagt Dan.
«Das wäre das Erste, was ich tun würde, falls du wirklich desertierst», versichere ich ihm.
Erst später fällt mir ein, dass wir ja gar keinen Krieg führen. Gegen niemanden.
KAPITEL DREIZEHN
M itten im Großen Saal steht ein Boot.
«Was soll das denn?», fragt Esther.
«Segeln», meint Dan. «Cool.»
Ich spüre den raschen Schmetterlingsflügelschlag einer Erinnerung. Vor langer Zeit habe ich so etwas schon einmal auf einem
Bild gesehen … doch da ertönt Macs Stimme von dem kleinen Podium vor uns und reißt mich aus meinen Gedanken.
«Guten Morgen», sagt er. «Herzlich willkommen bei
SailTogether
.»
«Waren das jetzt ein oder zwei Wörter?», frage ich Dan.
«Eins», sagt er und deutet auf den Schriftzug am Rumpf des Schiffes. «Siehst du?»
Wir stehen in Grüppchen in der Halle verteilt, als wären wir die graphische Darstellung eines Virus. Ich habe noch nicht zu
Ben hinübergeschaut, obwohl er mit Chloë und Hiro gleich das benachbarte Grüppchen bildet. Alle betrachten das Boot. Wie es
wohl hier hereingekommen ist? Und was soll es hier? Es ist merkwürdig, ein Boot auf dem Trockenen zu sehen. Und irgendetwas
scheint zu fehlen, auch wenn ich nicht gleich darauf komme, was es sein könnte.
«Irgendwas stimmt nicht mit diesem Boot», sage ich zu Dan. «Es sieht so … ich weiß auch nicht …»
«Es hat keinen Kiel», sagt er. «Und es ist unten abgeflacht. Wahrscheinlich ist es nur zu Demonstrationszwecken gedacht.»
«Und was soll damit demonstriert werden?»
«Wie man segelt, vermutlich.»
«Das hier ist Gavin Samson», fährt Mac mit lauter Stimme fort und deutet auf den großen, schlanken, braungebrannten Mann,
der neben ihm auf dem Podium steht. «Gavin war bereits in vielen Funktionen für PopCo tätig. Als er 1980 zu uns kam, begann
er als Zeichner in der allgemeinen Technikabteilung und war für die technischen Entwürfe diverser mechanischer Spielzeuge
verantwortlich. Später hat er sich dann auf Wasserspielzeug spezialisiert und erfolgreiche Marken wie den Mini-Trawler und
den Sonntagssegler entworfen.»
Der Mini-Trawler wird längst nicht mehr hergestellt, gehörte in den Achtzigern aber zu den ganz großen PopCo-Verkaufsschlagern.
Ich hatte als Kind selbst ein paar Freunde, die so ein Ding besaßen. Es handelte sich um ein kleines Fischerboot aus Holz
mit einem kleinen Außenbordmotor zum Aufziehen. Man konnte es in der Badewanne schwimmen lassen oder, falls man die Variante
mit Fernsteuerung besaß, auch auf dem nächstgelegenen Ententeich, Fluss oder See. Der Sonntagssegler war ein kleines Spielzeugsegelboot
mit Masten, Segeln, Takelage und Tauen. Auch dieses Boot konnte man theoretisch draußen schwimmen lassen, es durfte nur nicht
außer Reichweite geraten, damit man es noch erwischen konnte, um Segel beizusetzen (oder zu verhindern, dass es von einer
Windböe abgetrieben wurde). Trotzdem verkaufte es sich gut an segelbegeisterte Familien, wurde häufig als Kuriosum an Erwachsene
verschenkt oder als Lehrobjekt an die Kinder, die dann in der Badewanne oder im Planschbecken damit spielen konnten.
Mac redet weiter. «Zu Gavins großen Erfolgen bei PopCo gehört auch der ursprüngliche Entwurf für Sailor Sam und seine Wundermuschel,
die – Gavin nimmt es mir sicher nicht übel, wenn ich das verrate – ihre Existenz im Grunde einer zufälligen Kritzelei auf
einem missglückten anderen Entwurf verdanken. Wer sich ein bisschen in der PopCo-Firmengeschichteauskennt, wird Gavin auch als Mitglied des Design-Teams kennen, das 1984 an der Umgestaltung des PopCo-Logos beteiligt war.
Die beratenden Designer waren von seinen Boots- und Schiffsdiagrammen so begeistert, dass sie
Weitere Kostenlose Bücher