PopCo
duschen. Ich setze mich aufs Bett, und alles ist still, fast
schon zu still. Der Regen hat nachgelassen, und vom Flur her hört man kein Geräusch. Hätte ich vielleicht bei Ben bleiben
sollen? Hätten wir danach noch reden, uns Geschichten aus unserer Kindheit erzählen, von unserer Arbeit sprechen sollen, unseren
Expartnern und unseren schlechten Angewohnheiten? Nein. Es ist genau richtig so. Es ist so, wie ich es haben will. Und natürlich
werde ich auch nicht darüber reden und niemandem erzählen, was passiert ist, vor allem keiner anderen Frau.
Ihr habt also kein Wort geredet? Und ihr habt es an einem Baum getrieben? Dann denkt er jetzt bestimmt, dass du leicht zu
haben bist. Männer müssen sich ein bisschen ins Zeug legen, Alice. Du kannst ihn doch nicht einfach so ranlassen.
Ich habe ihn ja auch nicht einfach «rangelassen» – es beruhte absolut auf Gegenseitigkeit. Aber erklär das mal einer Frau,
die glaubt, alle Männer wollten immer nur das Eine und könnten einen nicht mehr respektieren, wenn man sich ihnen «hingibt».
Was Esther wohl dazu sagen würde? So was zumindest nicht, das steht fest. Aber ich werde es ihr trotzdem nicht erzählen.
Wahrscheinlich ist es jetzt schon nach elf. Ich stehe vom Bett auf und setze mich an den Schreibtisch.
Teenies
schreibe ich auf ein Blatt Papier und beäuge das Wort dann misstrauisch. Sollen wir die Frage ganz direkt angehen oder uns
vorher noch ein bisschen in lateralem Denken und Matrixerstellung üben? Was wohl passieren würde, wenn heute Nacht jemand
das ultimative Produkt für junge Mädchen entwickelte? Müssten wir dann morgen alle wieder nach Hause fahren?
Ich sitze noch keine fünf Minuten am Schreibtisch, da klopft es an die Tür. Einen Moment lang denke ich:
Ben
, doch als ich öffne, steht Dan draußen. Er hat zwei Becher mit Tee in der Hand und grinst geradezu spitzbübisch.
«Das ist ja wie in diesen Internatsbüchern», sagt er, als erins Zimmer tritt. Dann setzt er hinzu: «Oh … du bist im Bademantel.»
«Ich hatte gerade noch schnell gebadet», schwindele ich und nehme ihm einen Becher ab. «Wo hast du denn den Tee her?»
«Hab ich uns in der Küche gemacht.»
«Klasse. Vielen Dank. Also … Muss ich mich anziehen, oder kommst du auch mit mir im Bademantel klar?»
Er grinst. «Ich werde mich schon beherrschen, Butler.»
«Fein.» Ich drehe mir eine Zigarette. «Und, wie läuft’s so?»
«Bestens. Das mit dem lateralen Denken finde ich richtig cool. Und diese Matrixgeschichte … So habe ich die Welt bisher noch nie betrachtet. Ich werde dieses Teenieproblem schon knacken, das weiß ich. Kann ja nicht
so schwer sein.» Seine Augen sind groß und rund und funkeln vor Begeisterung.
«Meine Güte. Du bist ja völlig …»
«Was denn?» Er geht sofort in die Defensive.
«Na ja, das hört sich einfach alles sehr anders an als deine Erkenntnis von neulich abends, dass die Welt nur aus Bildern
besteht. Jetzt bist du plötzlich eine Art PopCo-Superman. Steiger dich da bloß nicht zu sehr rein. Nicht vergessen: Sie sind
eine böse Sekte und wollen uns eine Gehirnwäsche verpassen.» Das meine ich eigentlich gar nicht ernst, es gehört nur, wie
so vieles andere, zu den Dingen, die wir manchmal sagen, weil sie einfach lustig sind. Doch diesmal lacht Dan nicht, sondern
sieht nachdenklich drein.
«Das ist nur, weil ich … Mich hat einfach noch nie einer gebeten, einen eigenen Vorschlag für ein neues Produkt zu machen. Ich weiß auch nicht. Du
findest das bestimmt ziemlich albern, dass ich mich so dafür begeistere. Aber ich … Bisher hat niemand meine Ideen auch nur irgendwie interessant gefunden. Es hieß immer nur: ‹Ach, Dan, das ist aber ein hübsches
Blau› oder: ‹Ach, Dan, kannst du mir kurz mit dem Storyboard helfen?› Irgendwie finde ich es richtig toll, dass hier malniemand ‹Ach, Dan› sagt. Für mich ist das eine Chance, selbständig zu arbeiten, endlich mal was Sinnvolles zu machen.»
«Bis zur Teambuilding-Sitzung morgen, wo wir vermutlich lernen sollen, effizient als Team zu arbeiten.»
«Wahrscheinlich.» Er seufzt. «Aber du weißt schon, was ich meine.»
Ich lächele ihn an. «Ja, weiß ich.»
Dan trinkt einen Schluck von seinem Tee. «Also. Ein Mann liegt tot auf einem Feld. Neben ihm liegt ein verschlossenes Paket.
Sonst ist nichts und niemand zu sehen. Was ist passiert?»
«Sein Fallschirm ist nicht aufgegangen. Aber erzähl mir jetzt bitte nicht, dass du
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