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PopCo

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Titel: PopCo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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und sie in eine Schule für sozial benachteiligte
     Kinder oder ein Forschungszentrum zum Erhalt gefährdeter Tierarten umzuwandeln. Das Ganze war völlig absurd, und wir haben
     viel darüber gestritten. Irgendwann hat er dann eingesehen, dass Rache keine Lösung ist, und er hat auch zugegeben, dass es
     ihm eigentlich gar nicht so sehr um den Schatz geht. Trotzdem arbeitete er etwa fünfunddreißig Jahre lang Tag für Tag an dem
     Manuskript.»
    «Und was ist dann passiert?»
    «Er hat den Code geknackt.»

KAPITEL SECHZEHN
    A ls er um 1605 in einem kleinen Dorf nahe Tavistock vor der Tür der Familie Younge gefunden wurde, hielt man Francis Stevenson
     zunächst für einen Korb mit Eiern. Gefunden hatte ihn Mary Younge, die Frau des Freisassen Thomas Younge, und für ein Dutzend
     Eier hielt sie ihn, weil er in einem kleinen Weidenkorb lag, der mit einem Stück Stoff zugedeckt war. Sie hielt ihn auch deshalb
     für ein Dutzend Eier, weil Fanny Price versprochen hatte, ihr welche vorbeizubringen. Über den Grund dafür gibt die Geschichtsschreibung
     keine Auskunft: Die Familie Younge war selbst im Besitz etlicher Hühner, sie hätte das ganze Dorf mit Eiern versorgen können.
     Vielleicht hatte Fanny sich damit gebrüstet, ganz besondere Eier zu besitzen, die ihre Nachbarin unbedingt versuchen sollte.
     Vielleicht gab es auch irgendeine Schuld zu begleichen. Am Ende enthielt der Korb jedoch keine Eier, sondern einen Säugling.
    Mary glaubte recht gut zu wissen, woher dieser Säugling stammte. Vor gar nicht langer Zeit hatte sie einer mittellosen jungen
     Frau, Elizabeth Stevenson, die ihr auf dem Dorfmarkt begegnet war, ihren Beistand gewährt. Elizabeth, hochschwanger und aufs
     Höchste verzweifelt, wartete dort auf ihren Mann und ihre Söhne, die in der Gegend Arbeit zu finden versuchten, nachdem sie
     bei der Tavistocker Zinngrube bereits abgewiesen worden waren. Sie hatten unlängst ihr kleines Stück Land und ihre Hütte in
     einem Dorf in Cornwall durch Einhegung verloren. Seither zog die Familie obdachlos herum und führte ihre wenigen Habseligkeiten
     auf einem kleinen, klapprigen Karren mit sich. Dreimal waren sie bereits Wegelagerern in dieHände gefallen; der letzte hatte solches Mitleid gehabt, dass er sie und ihren geringen Besitz nicht nur verschont, sondern
     ihnen sogar ein paar Münzen geschenkt hatte. Mary erstand Brot für die arme Frau und wurde dafür mit ihrer Lebensgeschichte
     entlohnt, die trister kaum hätte sein können. Mary stammte selbst aus einer Familie von Kleinbauern, die sich aber ihr Land
     erhalten hatten. Sie war sich ihres Glückes wohl bewusst. Sie hatte eine gute Ehe geschlossen, ihre Jugendliebe geheiratet,
     und sie und ihr Mann verfügten über Land, Vieh und Geld. Ihre Söhne würden bald die Schule besuchen, und sie hegte gewisse
     Hoffnungen, dass ihr Ältester, Thomas der Jüngere, es auch auf die Lateinschule und womöglich sogar auf die Universität schaffen
     würde. Ihr Leben hätte sehr viel schlechter sein können, das wusste sie.
    Und so öffnete die Familie Younge Elizabeth Stevenson, ihrem Mann Robert und den Kindern ihr Haus. Thomas gab Robert Arbeit
     auf dem Hof, die Kinder machten sich im Haus und auf den Feldern nützlich, so gut sie konnten. Man sprach von Möglichkeiten
     in der Stadt Taunton in der benachbarten Grafschaft Somerset, wo die Stoff- und Wollherstellung vielen Menschen Arbeit bot.
     Robert erwog auch eine Laufbahn als Seemann, doch dafür war er bereits zu alt, und was sollte aus seiner Familie werden, während
     er fort war? Wie es mit den Stevensons weiterging, erfuhr Mary jedoch nicht mehr, denn eines Morgens waren sie einfach verschwunden.
     Am Abend zuvor hatte es eine kleine Auseinandersetzung gegeben, weil eines der Stevenson-Kinder ein Stück Käse stibitzt hatte,
     und offenbar hatten sie sich daraufhin nicht mehr willkommen gefühlt. Mary schalt sich selbst dafür, den Käse überhaupt erwähnt
     zu haben. Wie hatte sie bloß so kleinlich sein können? Vielleicht fand die Familie es aber auch schlicht an der Zeit weiterzuziehen.
     Der Winter nahte, es gab nicht mehr genug zu tun für alle.
    Nun hatte Mary keinen Zweifel daran, dass der Säugling, den sie eine Woche später vor ihrer Tür fand, Elizabeths Kind sein
     musste, und sie begriff natürlich, weshalb Elizabeth ihn dort zurückgelassen hatte. Bei seinen Eltern hätte der winzige, blauäugige
     Knabe einer ungewissen Zukunft entgegengeblickt. Verlässlich war in ihrem

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