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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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till tretton« zu schreiben, da Ulf Elfving glauben könnte, wir wären Finnen. Unsere Heimat war zu klein, um auf der Landkarte zu erscheinen. Wir schafften es ja kaum, uns selbst zu versorgen und nicht von der Sozialhilfe abhängig zu sein. Wir sahen, wie die bäuerlichen Familienbetriebe ausstarben und die Weiden von Unkraut überwuchert wurden, wir sahen die letzten Holzflöße auf dem Torneälv und dann keines mehr, wir sahen, wie vierzig kräftige Waldarbeiter von einem einzigen dieselstinkenden Scooter ersetzt wurden, wir sahen unsere Väter die Handschuhe an den Nagel hängen und fortreisen, für lange Wochen in die Gruben von Kiruna. Wir hatten die schlechtesten Ergebnisse im Standardtest im ganzen Reich. Wir hatten keine Tischsitten. Wir trugen auch im Haus Mützen. Wir suchten nie Pilze, vermieden Gemüse und aßen nie Krebsschnittchen. Wir konnten uns nicht ordentlich unterhalten, nicht deklamieren, keine Geschenke einwickeln oder eine Rede halten. Wir gingen mit den Füßen auswärts. Wir radebrechten auf Finnisch, ohne Finnen zu sein, wir radebrechten auf Schwedisch, ohne Schweden zu sein.
    Wir waren nichts.
    Es gab nur einen Ausweg. Eine einzige Möglichkeit, wenn man etwas werden wollte, und wenn es nur das Allergeringste war. Nämlich wegzuziehen. Wir lernten, uns darauf zu freuen, überzeugt, dass es die Chance unseres Lebens sei, und wir gehorchten. In Västeras würde man endlich ein richtiger Mensch werden. In Lund. In Södertälje. In Arvika. In Boras. Es kam zu einer riesigen Evakuierung. Einer Flüchtlingswelle, die unseren Ort leerte, und merkwürdigerweise als vollkommen freiwillig angesehen wurde. Ein unsichtbarer Krieg.
    Die Einzigen, die aus dem Süden zurückkehrten, waren die Toten. Verkehrsopfer. Selbstmörder. Und mit der Zeit auch die Aidstoten. Schwere Särge, die in den gefrorenen Boden zwischen den Birken des Pajala Friedhofs gesenkt wurden. Kotmaassa.
    Niilas Haus lag auf einem der ältesten Baugelände von Pajala, mit Blick über den Fluss. Es war ein geräumiges, solide gebautes Haus vom Ende des letzten Jahrhunderts, mit großen Sprossenfenstern an den Längswänden. Wenn man die Fassade näher studierte, konnte man an den Kerben erkennen, wo das Haus angebaut worden war. Es gab immer noch zwei Schornsteine mit zwei separaten Kaminen, das Haus war zu groß geworden, um von einer Feuerstätte aus beheizt zu werden. In den Glanztagen des Laestadianismus war das Haus naturgrau gewesen, aber irgendwann in den Vierzigern war es fleischwurstrot mit weißen Fensterrahmen gestrichen worden. Die alten Rundholzüberstände waren nach der Mode der Zeit abgesägt worden, damit das Haus nicht mit einer riesigen Scheune verwechselt werden konnte - zum großen Kummer des Denkmalschützers und anderer Liebhaber. An der Flussseite lagen Schnittwiesen, die während der seit Jahrtausenden immer wiederkehrenden Eisschmelze von dem Flussschlamm gedüngt wurden und nahrhaftes, milchförderndes Heu gaben. Gerade an diesem Platz hatte einer der ersten Bewohner vor vielen hundert Jahren seinen Rucksack hingehängt und sich ein Heim gebaut. Aber seit einiger Zeit wurden die Wiesen nicht mehr gemäht. Überall steckte das Unkraut seinen Kopf hervor. Der Platz atmete Finsternis, Niedergang. Man fühlte sich nicht willkommen. Es herrschte hier eine Kälte wie bei jemandem, der in der Kindheit so hart angepackt worden ist, dass er die Wut nach innen kehrt.
    Die Scheune stand noch da und war mit der Zeit zu Vorratsschuppen und Garage umgebaut worden. Wir hatten gerade Schulschluss, und ich ging mit Niila nach Hause. Für diesen Tag hatten wir unsere Räder getauscht. Er hatte meins leihen dürfen, ein ganz tolles mit schmalem Sattel und umgedrehtem Lenker. Ich selbst trampelte auf seinem Rex »leicht wie ein Keks«, wie die blöden Jungs aus der Dritten immer hinter ihm herriefen. Sobald wir angekommen waren, zog Niila mich mit sich in den Schuppen.
    Wir schlichen uns die steile, handgeschreinerte Treppe hoch, die von den Füßen der ganzen Familie poliert worden war. Dort oben herrschte ein Halbdunkel, nur ein kleines, verglastes Guckloch ließ das nachmittägliche Licht herein. Überall standen Berge von Gerümpel herum, abgenutzte Möbel, eine rostige Sense, Emailleeimer, zusammengerollte Teppiche, die nach Schimmel rochen. An einer Seitenwand blieben wir stehen. Vor uns ragte ein gewaltiges Regal voller Bücher mit abgenutzten, braunen Lederrücken auf. Erbauungsliteratur, Postillen,

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