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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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den Hals nicht anspannen musste, sondern eher aus der Brust heraus singen konnte, klang es nicht mehr ganz so schrecklich. Meine Stimme wurde sicherer und klang manchmal wirklich wie Musik. Dann schmunzelte Niila jedes Mal in sich hinein und gab mir einen freundschaftlichen Knuff. Manchmal machten wir eine Pause zwischen den Stücken, diskutierten den Zusammenhang zwischen Mädchen und Rockmusik, tranken Limonade und waren reichlich nervös.
    Ein paar Wochen später wurde die Situation auf die Spitze getrieben, als ein Mädchen, das am Strandvägen wohnte, ein Klassenfest ausrichtete. Nach Brause und Popcorn begannen wir mit »Lüge oder Wahrheit«. Bevor Niila und ich hatten abhauen können, waren wir mit Küssen überdeckt, und ich war vier Tage lang mit einem Mädchen zusammen, bis ich Schluss machte und ihr die Kette und den Messingring zurückgab und das Foto, auf dem sie eine Spitzenbluse anhatte und den Lippenstift ihrer Mutter trug.
    Und kurz danach war alles vorbei. Die Mädchen fanden spannendere Objekte, ältere Jungs in der Sechsten. Niila und ich landeten plötzlich auf dem Abstellgleis und versuchten lange, eine Wiederholung der Wahlstunde anzuregen, was aber schroff von unserer Lehrerin abgelehnt wurde.
    Ich versuchte es noch mal bei dem Mädchen, das ich abgewiesen hatte, bekam aber ein Nein. Das Dasein war unergründlich.

KAPITEL 9
    - in dem unsere Helden in der Mittelstufe anfangen und mit einer gewissen Mühe den Fingersatz erlernen.
    Nach drei Jahren in der Gamla Skolan konnten die meisten von uns Rotznasen lesen und rechnen, und es war Zeit für die Mittelstufe in der Pajala Centralskola, einem legoähnlichen Schuppen, gebaut aus gelben Ziegeln. Das Schuljahr wurde mit einer Kampagne eingeleitet, wie man die Zähne putzen sollte. Man muss einräumen, dass es dafür einen gewissen Bedarf gab, bei der letzten Zahnarztkontrolle hatte ich sechs Löcher gehabt und Niila neun. Auch bei den anderen in der Klasse sah es nicht besser aus, deshalb hatte die Gemeinde einen Lastwagen mit zusätzlichem Amalgam aus Linköping angefordert. Jetzt mussten wir in Grüppchen ins Büro gehen und Färbetabletten kauen, durch die der Plack eklig rot wurde, und dann in einen Spiegel gucken und vor einer ernst dreinschauenden Frau Zahnbürstengymnastik machen. Schrubb schrubb schrubb, mindestens zehnmal an jeder Stelle. Ich weiß nicht, ob es daher kommt oder ob wir das der Fluorspülung zu verdanken haben, jedenfalls hatte ich in meiner restlichen Grundschulzeit kein einziges Loch mehr.
    Die Zahnärzte merkten natürlich auch, dass sie immer weniger zu bohren hatten, und sahen sich schnell nach anderen Arbeitsaufgaben um. Die Rettung wurde die Zahnregulierung. Jede Woche gab es einen armen Tropf, der dorthin geschickt wurde und dann mit dem Maul voller Plastik und Metalldrähten zurückkam. Sobald ein Zahn auch nur im Geringsten klinkku war, musste er gerichtet werden. Bei mir war es ein Eckzahn, der nicht in Habacht-Stellung stand, und verdammt, was musste ich deshalb zur Volkszahnpflege rennen. Die Zahnärztin hatte immer Sorgenfalten auf der Stirn, sie holte Zangen heraus und spannte den Metalldraht, dass der ganze Schädel brummte. Sobald ich draußen war, lockerte ich den Draht mit meinem Fahrradschlüssel, und dann hieß es nur bis zum nächsten Mal warten. Manchmal kam der »Spezialist«, ein glatzköpfiger Onkel aus Lulea. Der einzige Unterschied bestand darin, dass er noch fester anzog und dass seine Finger nach Zigarillo schmeckten, wenn er im Mund herumwühlte.
    Mit der Mittelstufe kam auch die Pubertät näher. In den Pausen konnte man schon mal betrachten, was einen so erwartete. Vereinzelte Paare aus der Siebten, die Hand in Hand gingen und sich küssten. Mädchen, die heimlich hinter der Ecke rauchten. Das Schminken, das mit jedem Jahreskurs nur noch verwegener wurde. Es war ein erschreckender Anblick, man verstand das nicht so richtig. Würde man sich selbst etwa auch so verändern? Doch, das war in einem drinnen, man konnte es spüren, ein Samen. Der bereits anschwoll, und nicht mehr lange, dann würde man die Kontrolle verlieren.
    Da überall gesagt wurde, wie nützlich es wäre, mehrere Sprachen zu können, begannen wir Englisch zu lernen, während unser altes Stadtfinnisch immer seltener auf dem Schulhof zu hören war. Ich fing an, die englischen Popsongs zu kopieren, indem ich die Top Ten hörte. Da wir daheim immer noch kein Tonbandgerät hatten, musste ich die Liedtexte so schnell ich konnte

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