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Populaermusik Aus Vittula

Titel: Populaermusik Aus Vittula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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das mich blind gemacht hatte.
    Der Kampf wurde für den Rest des Tages abgeblasen. Niila gelang es, den Diabolo mit einer in die Glut gehaltenen Sicherheitsnadel herauszuholen, und zu Hause erzählte ich, ich wäre von dem Kieselstein eines vorbeifahrenden Lastwagens getroffen worden. Die Wunde heilte mit der Zeit, aber die Narbe habe ich immer noch. Danach hörte ich auf mit dem Luftgewehrkrieg.

KAPITEL 18
    - über Musikgeklimper und andere mehr oder weniger
    männliche Aktivitäten.
    Unser erster öffentlicher Auftritt fand während einer Morgenandacht in der Schulaula von Pajala an einem ausgekühlten, graufeuchten Februartag statt. Das Ziel der Morgenandachten war hochtrabend: Jeden Freitag Morgen wurden die Oberstufenschüler für zwanzig Minuten zusammengetrommelt, um ihnen Moral einzubimsen, ihr geistiges Niveau zu erhöhen und den Zusammenhalt in der Schule zu stärken. Das war vermutlich so eine Idee aus dem südlichen Schweden, die sich via irgendwelche Schulleiterkonferenzen verbreitet hatte, aber mit der Zeit fast zu einem seura, einer Gebetsstunde geworden war. Die Rolle des Predigers wurde von dem rechtschaffenen und besorgten Fachlehrer für Berufsberatung Henrik Pekkari ausgeübt oder von dem samtäugigen Rektor Sven-Erik Klippmark, der alle Sünder, die Wände bekritzelt, Snus ausgespuckt, ihren Spind eingetreten, Flaschen zertrümmert, auf Bänke gemalt oder in anderer Weise die Rechnung für die Steuerzahler der Kommune erhöht hatten, bekehren wollte. Aber er wäre sicher besser damit gefahren, wenn er sein Tornedalfinnisch angewandt und den kleinen Teufeln mit Prügel, Rute und lebenslangen Behinderungen gedroht hätte, da das die Erziehungsmethoden waren, die die meisten kannten.
    Ab und zu hatte es auch schon mal musikalische Einlagen gegeben. Der Kantor Göran Tornberg hatte tapfer eine Bachprä-ludie auf dem Klavier gespielt, die träge Unaufmerksamkeit des Publikums scheinbar nicht bemerkend. Der Mädchenchor der Schule hatte einen Kanon gesungen, während die silberhaarige Chorleiterin Birgitta Söderberg die eindeutig sexbetonten Pfiffe der Jungs aus der neunten Klasse zu übersehen versuchte. Ein Junge aus Peräjävaara hatte mit dem Überlebensinstinkt eines Selbstmörders Trompete gespielt, und das hatte so falsch geklungen, dass sogar die Lehrer in die Lachsalven hatten einfallen müssen. Aber er überlebte und wurde später Musiklehrer.
    Der Freitag kam, die gähnenden Jungs aus der Neunten setzten sich ganz nach hinten, rülpsten laut und schossen Gummibänder ab. Der Rest der Schüler füllte den Raum von hinten nach vorn. Die Bühne war von einem Vorhang verdeckt. Greger hatte von der Schulleitung die Erlaubnis erhalten, die Morgenandacht ganz nach seinen eigenen Vorstellungen zu organisieren, nachdem er angedeutet hatte, es handle sich um jugendliche Verantwortung und Kreativität. Nur wenn man direkt am Vorhang stand, konnte man ein leises, sonderbares, elektrisches Summen hören.
    Die Schüler bereiteten sich darauf vor, auszuharren oder zu stören, je nach Veranlagung und Mut. Die Lehrer drückten sich auf strategisch günstige Plätze. Der kurzgeschorene furchtlose Geschichtslehrer Gunnar Lindfors nahm in der letzten Reihe Position und ließ seinen Röntgenblick schweifen, bereit, jeden, egal wen, beim Kragen zu packen.
    Greger trat mit feierlicher Miene auf die Bühne und stellte sich vor den Vorhang. Niemand beachtete ihn. Die Lehrer mahnten zur Ruhe. Das Plappern und Kichern ging weiter, als wäre es eingeübt. Die Lehrer zeigten den aktivsten Widerständlern drohende Gesichter. Erneutes trotziges Gelächter, Hustenanfälle, eine leere Flasche, die zwischen den Bankreihen entlangrollte, ein Papier, das lautstark zerrissen wurde.
    Greger hob seine deformierte Faust. Winkte mit dem Daumen, ohne ein Wort zu sagen, und verschwand dann neben der Bühne.
    Das war das Zeichen, wir legten los.
    »Tjus lätmi isamatö räckönräll mjosik!«
    Die in den ersten Reihen wurden gegen ihre Stuhllehnen geschleudert. Der Rest starrte verständnislos auf den noch geschlossenen Vorhang. Er wellte sich, wölbte sich wie der Deckel eines Fasses eingelegter Heringe.
    » Räckönräll mjosik! If jo vänä lav vitmi!«
    Wir legten wie die Verrückten in dem Halbdunkel da hinten los. Erkki gingen die Nerven durch, er begann auf alles zu schlagen, was sich bewegte, bis der Song doppelte Geschwindigkeit drauf hatte. Niila griff den Akkord in der falschen Tonart, und Holgeris Durchgang klang wie

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