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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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sich an seine Fersen wie ein hungriger Hund. »Letzte Woche haben Sie eine unserer Klientinnen in Gefahr gebracht, als Sie ihren Fall abgewiesen haben. Es wäre durchaus berechtigt zu glauben, dass Sie der Ansicht sind, eine Frau sei weniger wert, nur weil sie einen nicht englischsprachigen Hintergrund hat.«
    De Lisle blieb abrupt stehen. Er war nicht länger der vernünftige Mensch, der seiner Arbeit nachgehen musste, er wurde zum Berserker, der instinktiv in den Raum um Toula Nikodemas vorstieß. »Wollen Sie etwa damit behaupten, ich sei voreingenommen, ich sei ein Rassist?«
    Sie wich vor ihm zurück und er setzte nach, den Zeigefinger bedrohlich nah auf ihr Gesicht gerichtet. Er hatte kleine, saubere, weiche Hände, Hände, die nie einen Abzug drücken oder den Strom einschalten würden, die jedoch niemals zögern würden, ein Todesurteil zu unterzeichnen, gäbe es die Todesstrafe noch.
    »Und ... behaupten Sie das? Denn wenn Sie das behaupten, haben Sie eine Klage am Hals, so schnell, dass Sie Ihren behaarten Arsch nicht mehr von Ihrem behaarten Ellbogen unterscheiden können.«
    Die Nikodemas holte tief Luft. »Ich verweigere mich Ihrem Negativismus. Ich werde es nicht zulassen, dass Sie oder wer auch immer mich meiner Energie beraubt.«
    Oh mein Gott, dachte De Lisle. Er drehte sich um, ließ sie stehen und marschierte in sein Zimmer.
    »Guten Morgen, Mr. De Lisle«, empfing ihn seine neue Praktikantin.
    De Lisle sah sie wütend an, der Vorfall im Gang drohte, ihm den Tag zu verderben. Wie hieß noch mal die Praktikantin? Sally Soundso, ein schlaues, junges Ding in — Gott sei Dank — Rock und Bluse. Ihre Vorgängerin pflegte jeden zweiten Tag in Hosen aufzutauchen. Sally sah seine Wut und wurde blass. Oh, verdammt, dachte De Lisle und rang sich ein Lächeln ab. »Nun, Sally, heute ist Mariä Verkündigung, also Ihr erster Lady Day.«
    Sally Soundso lächelte pflichtschuldig über diesen abgedroschenen Witz. »Ich habe Ihnen die einstweiligen Anordnungen auf Ihren Schreibtisch gelegt, Sir.«
    Es war ein massiver Schreibtisch, solide Eiche, die Platte mit grünem Leder bezogen, das übersät war mit Tintenklecksen; allerdings war davon jetzt wenig zu sehen unter dem Durcheinander aus pinkfarben bebänderten Unterlagen, Berichten, Aktenordnern. De Lisle verzog den Mund. »Zu Hause können Sie so etwas gern veranstalten, Fräuleinchen, aber nicht hier in meinen Räumen.«
    Sally stürzte an den Schreibtisch. De Lisle sah, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss und selbst die Ohren rot wurden. »Tut mir Leid, Sir, ich werde gleich — «
    Sie beugte sich über den Schreibtisch und schob alles mit den Handflächen an seinen Platz. De Lisle betrachtete ihre Waden, die vom Fahrradfahren trainierten Muskeln, die sich unter dunklen Strümpfen anspannten. Er ließ seinen Blick zu ihrem perfekt geformten Hinterteil wandern, doch der Klaps, den er ihr gab, bevor er mit einer schnellen Geste der Entschuldigung von ihr abließ, war eher zurückhaltend, wie der eines netten Onkels. »Nichts für ungut. Aber Äußerlichkeiten spielen in diesem Business eine wichtige Rolle, vergessen Sie das nicht. Einer meiner Kollegen hat mal von sich reden gemacht, nachdem er einen Fall nicht angehört hat, nur weil der verantwortliche Rechtsanwalt braune Schuhe zu einem blauen Anzug getragen hat.«
    Sally war immer noch rot im Gesicht. Nachdem sie alles geordnet hatte, ging sie vom Schreibtisch weg. De Lisle fragte sich, ob sie zu den Frauen gehöre, die ihre BHs ins Feuer geworfen hatten. Auf keinen Fall würde er ein arrogantes Benehmen ihrerseits dulden. Jetzt fiel ihm auch ein, dass sie eine staatliche Schule besucht hatte. Ihren Abschluss in Rechtswissenschaften hatte sie an der ANU gemacht, sie hatte es also zu etwas gebracht und zeigte vielleicht eine gewisse Dankbarkeit, anders als einige von den Rotzgören, mit denen er es in der Vergangenheit zu tun gehabt hatte, die von Privatschulen kamen und alles als ihr angestammtes Recht betrachteten. De Lisle war Sohn französischer Einwanderer. An der Universität von Sydney hatte er sich durch das Jurastudium gebissen, also hatte auch er es zu etwas gebracht, wenn es auch kein Zuckerschlecken gewesen war. Aber dafür würde er sich jetzt auf eine Weise entschädigen, von der die kleine Sally Soundso nicht einmal träumen konnte. Er grinste übers ganze Gesicht und Sally lächelte unsicher zurück, bar jeder Ahnung, was in seinem Kopf vorging.
    »Ach ja«, sagte er, »Lady Day.

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