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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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Vielleicht könnten Sie mich informieren, was heute ansteht?«
    Damit hatte Sally wieder festen Boden unter den Füßen. »Gewiss, Sir. Zuerst wäre da — «
    »Setzen Sie sich, Mädchen.«
    Sally setzte sich, De Lisle ebenfalls, und dann sahen beide einander über den voll gepackten Schreibtisch hinweg an. »Zuerst wäre da diese Frau aus North Ryde, deren Ehemann — «
    »Nationalität?« De Lisle spuckte das Wort förmlich aus.
    »Türkisch.«
    De Lisle schüttelte den Kopf, sagte aber nichts. Er kritzelte Nr.1, türkisch auf seinen Block und blickte wieder auf. »Übergehen Sie das Folgende, das kenn ich auswendig. Ist sie im Moment in einem Frauenhaus?«
    »Ja, Sir.«
    »In Ordnung. Nächster Fall?«
    »Das Gleiche, Sir. Eine Frau — «
    »Nationalität, Sally. Nationalität ist unerlässlich.«
    »Vietnamesisch.«
    Interessant. De Lisle spitzte die Lippen. »Es gibt junge Asiaten, die sich gegenseitig mit dem Messer abstechen, die von ihren eigenen Leuten Schutzgelder erpressen, aber auf häusliche Gewalt stößt man bei denen selten. Meiner Einschätzung nach achtet der Asiat die Familie.«
    Er sah seine Praktikantin forschend an, und es dauerte eine Weile, bis sie in sorgfältig gewählten Worten erwiderte: »Ich weiß nicht, ob dergleichen zwingend mit dem Kulturkreis zu tun hat, Sir. Männer — «
    De Lisle schlug mit der Hand auf den Schreibtisch. »Hah! Jetzt hab ich Sie! Jetzt weiß ich, wessen Geistes Kind Sie sind, Fräuleinchen.«
    Sie war verwirrt. »Sir, es scheint mir nur — «
    »Scheint? Scheint sollten Sie vergessen. Sperren Sie Augen und Ohren auf, sehen Sie sich die Fakten an, das kann ich Ihnen nur raten. Ich mache das hier seit zwanzig Jahren und ich kenne den Unterschied zwischen dem, was zu sein scheint, und dem, was wirklich ist.«
    »Ja, Sir.«
    »Wie viele Verhandlungen sind überhaupt für heute angesetzt, Sally?«
    »Zehn.«
    »Wie verteilt?«
    Sie warf einen Blick auf ihre Notizen. »Vier einstweilige Anordnungen am Vormittag, sechs Diebstähle und tätliche Angriffe nach der Mittagspause.«
    »Allmächtiger! Tagein, tagaus marschiert hier dieselbe Bagage auf. Nennen Sie mir die ethnische Aufschlüsselung bei den einstweiligen Anordnungen.«
    »Eine Türkin, eine Vietnamesin. Die beiden habe ich Ihnen bereits genannt. Dann eine weitere türkische Frau und ferner ein Name, der serbisch oder kroatisch sein könnte.«
    »Na wunderbar«, murmelte De Lisle und machte sich Notizen. War es nicht alltäglicher Abschaum, dann war es Abschaum anderer Art, wie diese Kinderfreunde, diese Kinderficker, auf die er im Rahmen der Untersuchung im letzten Jahr gestoßen war. Aber es hatte sich gelohnt und er würde für eine lange Zeit seinen Vorteil daraus ziehen können. Doch inzwischen ...
    »Haben Sie sich um die Karten gekümmert?«
    »Ich habe Julie gebeten — «
    Wieder musste De Lisle die juristischen Fragen hinten anstellen. »Schreibkräfte haben mit der Bestellung meiner Opernkarten nichts zu tun. Ich habe Sie gebeten, sich darum zu kümmern, und erwartet, dass Sie es tun. Genauso wie es Ihnen nicht schadet, ab und zu Kaffee zu kochen.« Er hob die Hand, als wolle er eine Welle des Protestes aufhalten. »Ich weiß, ich weiß. Aber vergessen Sie eines nie, Sie fangen ganz unten an, und wenn Sie ganz unten anfangen, müssen Sie damit rechnen, auch mal — bitte verzeihen Sie meine unzivilisierte Ausdrucksweise — ein wenig Drecksarbeit zu machen.«
    Sally holte so tief Luft, dass sich ihr Brustkorb hob, und atmete anschließend vernehmlich aus, eine Artikulation widerstrebender Duldung, die sich ziemlich in die Länge zog. Aber sie schwieg.
    »Apropos zivilisiert«, sagte De Lisle, »einige meiner Fälle auf Vanuatu waren recht aufschlussreich.«
    Sally bemühte sich, eine interessierte Miene aufzusetzen.
    De Lisle rieb die Hände gegeneinander. »Manchmal haben sie einen oder zwei nette Stammesmorde für mich auf der Liste, hin und wieder auch ein Schmuggeldelikt.« Er lehnte sich zurück und grinste Sally an. »Einmal ging es sogar um einen Brandanschlag in Neuguinea. So genannte Freiheitskämpfer warfen einen Molotowcocktail in ein Nestlé-Lager in Port Moresby, weil sie sich fragten, was falsch sei an Muttermilch.« De Lisle lachte und sein Blick fiel auf eine Stelle unterhalb von Sallys Hals. »Ich könnte eine Assistentin gebrauchen«, sagte er in verändertem Tonfall.
    »Sir?«
    »Diese Arbeit führt mich quer durch den Pazifik. Mit einer Assistentin an meiner Seite wäre dieses

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