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Port Vila Blues

Port Vila Blues

Titel: Port Vila Blues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Disher
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die Topographie der Insel einzuprägen. Auf dem Rückweg ging er den steinigen Strand entlang und dann einen bröckelnden Klippenweg hoch, geradewegs in den Speisesaal, wo er ein Frühstück bestellte. Er aß ein Müsli, weil es sättigte und Energie spendete, und kaute dabei nur auf der rechten Seite; und dennoch setzten sich Reste von Nüssen und Getreideflocken in seiner Zahnruine fest. Seine forschende Zunge signalisierte ihm, dass das Zahnfleisch rund um den Zahn entzündet war, also beschloss Wyatt, sich den Zahn ziehen zu lassen.
    Mit einem kleinen Stapel alter Zeitungen und Zeitschriften ging Wyatt zurück in seine Hütte. Er setzte sich auf den Balkon, die Füße auf dem Geländer, las und beobachtete zugleich De Lisles Kai. Eine wahre Rostschüssel von Dampfer glitt vorbei, eine der Yachten, die von Insel zu Insel segelten, stach in See, unablässig pendelte die Inselfähre zwischen der Hauptinsel und Reriki Island, Wassertaxis fuhren hin und her, getrieben von den Wünschen ihrer Fahrgäste; dort, wo das Meer an den einzigen Streifen Sand der Insel brandete, bewegten sich Köpfe und Oberkörper von Badenden vor und zurück, dünne Beine hoben und senkten sich beim Tretbootfahren.
    Nur De Lisle war nirgendwo zu sehen. Sein Haus blieb verschlossen, sein Kai leer.
    Ein Gefühl von Verwundbarkeit breitete sich in Wyatt aus. Sein Zahn. Er musste zur Kenntnis nehmen, dass der Schmerz da war und stärker wurde. Das und der Drang seiner Zunge, die Konturen des Zahnwracks und das geschwollene Zahnfleisch zu erkunden, bedeuteten eine gefährliche Ablenkung. Er spürte, dass er nicht hundertprozentig bei der Sache war und sagte sich, dass — selbst wenn die Yacht in diesem Moment anlege — es unwahrscheinlich sei, dass sich De Lisle innerhalb weniger Minuten nach seiner Ankunft auf dem Absatz umdrehe und wieder verschwinde.
    Wyatt verschloss seine Hütte gegen die aufkommende Hitze und ging hinunter zur Fähre. Wenn es etwas gab, was ihm im Zuge einer Aktion gegen jemanden wie De Lisle völlig gegen den Strich ging — gleichgültig, ob er sie aus Rache oder Gewinnstreben durchführte —, dann war es das Gefühl, den Gang der Ereignisse nicht völlig im Griff zu haben. Wyatt packte niemals etwas an, was nicht durchführbar war, doch diesmal war einfach alles zu lose miteinander verbunden, angefangen bei der fremden Umgebung bis hin zu seinen spärlichen Kenntnissen über den Mann, sein Haus und seine Gewohnheiten. Andererseits verlangte es Wyatt nach einem Teil des von De Lisle gebunkerten Geldes und es verlangte ihn nach Rache, sowohl für Jardines Tod als auch für den versuchten Mordanschlag im Café. Und — falls er bereit war, sich das einzugestehen — selbst die besten Pläne enthielten einen Hauch Tollheit, der süchtig machte.
    Die Fähre legte an. Wyatt kletterte über den Aluminiumbug auf die Betonstufen des Kais. In diesem Moment betätigte ein Mann die Klingel an der Lenkstange eines Mietmotorrollers. Wyatt lächelte kurz und schüttelte den Kopf. An der Hauptstraße angekommen, blieb er stehen, um sich zu orientieren. Auf der Hafenseite sah er einen ungepflegten Streifen Grün mit Marktständen. Auf der anderen Straßenseite führte ein schlecht gepflasterter Bürgersteig an einem Dutzend kleiner Läden und Cafés vorbei. Wyatt überquerte die Straße. Er wusste, dass er sich auf sonderbare Weise ungeschützt, gleichzeitig aber als Teil der Herde fühlen würde, ginge er an den Marktständen vorbei, um an sein Ziel zu gelangen.
    Es war halbwegs annehmbar gewesen, sein Arrangement mit Jardine. Seine hauptsächlichen Bedenken hatten darin bestanden, dass es zumeist unumgänglich gewesen war, die Beute in Kommission zu geben. Wurde kein Bargeld erbeutet, waren sie beide auf jemanden angewiesen, der die Beute versilberte. Früher hatte sich Wyatt mit Vorliebe eines Bankers bedient. Der Banker hatte über keinerlei Informationen verfügt, was den Coup betraf, hatte nicht gewusst, wer die Sache durchzog oder wie sein Geld verwendet wurde. Die alleinige Kontrolle über das Investment hatte bei Wyatt gelegen, er hatte sich jedes Mal um die besten Spezialisten bemüht, um deren Ausrüstung, hatte am Ende die Beute aufgeteilt und dem Banker das Doppelte seiner Investition zurückgezahlt. Es war die Sicherheit dieses Systems, die Wyatt gefallen hatte. Doch es wurde zunehmend schwieriger, die Qualitäten der Männer zu kontrollieren, mit denen er hatte arbeiten müssen, und schließlich wurde der Name des

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