Porterville - Mystery-Serie: Edition I (Folgen 1-6)
Supreme-Würstchen gefüllt werden. Die rote Masse, die sie einem darübergießen, erinnert sogar entfernt an Ketchup. Die Fans strömen an mir vorbei, um den Spielbeginn nicht zu verpassen. Sie tragen grüne Sweater und Schals, die Farbe ihrer Mannschaft, der Patriots . Andere sind in schwarz und gelb gekleidet, das sind die Anhänger der Hornets . Mittlerweile haben sich zwölf Clubs in Porterville gegründet, auf Veranlassung meiner Behörde. Es ist eine Stadtliga und die einzelnen Stadtteile feiern ihre Mannschaften leidenschaftlich und hassen die Anhänger der anderen Teams mit Ausdauer und Inbrunst.
Ich gehe die ausgetretenen Treppen hoch, die zu Block 7 führen. Die Risse im Beton der Wände werden jedes Mal breiter. Reinigungspersonal ist unterwegs, und sammelt die Greybugs ein, riesige asselartige Käfer, die mittlerweile zu einem vertrauten Element jedes öffentlichen Gebäudes geworden sind. Sie sind nicht wählerisch, knabbern alles an, was weicher als Beton oder Stahl ist, fressen sich durch Leitungen, Dämmungsmaterial, Textilien, Gummi oder Pappe. Sie sind eine Pest, und noch immer läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich an meine erste Begegnung mit einem Greybug denke.
Damals. Vor zwei Jahren.
Sato hat ihn mir gezeigt. In einem Edelstahlwaschbecken seiner pompösen neuen Wohnung krabbelte das Vieh herum. Damals fingen die ersten Säuberungen und Deportationen an und Sato hat mir ganz offen gedroht. Entweder ich unterstütze seinen Kurs, oder ich gehe den Weg, den alle anderen gehen, die nicht seiner Meinung sind. Ich habe gezögert. Und dann habe ich eingelenkt.
Es wurde ein Pakt mit dem Teufel.
Ich war naiv, ich dachte, ich kann etwas verändern. Von innen heraus. Ich dachte, ich kann unsere alten Mitstreiter retten, die, die nicht Satos Meinung waren. Ich dachte, ich könnte sie schützen, wenn ich meine Position in der Stadtverwaltung und meinen Einfluss auf Sato behielte.
Bei manchen ist mir das tatsächlich gelungen. Bei Walt, Floyd, Rebecca und einigen anderen, die heute Teil unserer Gruppe sind. Bei anderen habe ich nichts erreicht. Sie sind jetzt weg. Und die Position zwischen allen Stühlen hat mich zermürbt. Mehr als einmal musste ich mich fragen lassen, auf welcher Seite ich stehe. Von Sato und von seinen Gegnern. Ich habe zu viele Zugeständnisse gemacht.
Unter Satos Druck habe ich ihm den Weg zu einer autoritären Diktatur geebnet. Ich habe das Schulwesen zu einer ideologischen Kaderschmiede umgebaut, in der der Personenkult um Sato befördert, Gehorsam und Bescheidenheit gelehrt wird und perfekte Mitläufer herangezogen werden. Seit unserem Pakt vor zwei Jahren sind zahllose Kritiker Satos aus der Stadt verschwunden und nach Draußen deportiert worden. Ich musste mir eingestehen, dass mein Versuch, gleichzeitig mäßigend auf Sato und dessen schärfsten Kritiker einzuwirken, gescheitert ist und ich nur als Bremser auf die Kräfte gewirkt habe, die schon viel früher eine Revolution gegen Sato anstrebten. Jetzt will ich nicht mehr der Bremsklotz sein, sondern der Stein, der alles ins Rollen bringt.
Am Ende der Treppe angekommen, blicke ich ins Stadion. Die Cheerleader verlassen bereits den Platz, infernalischer Jubel bricht aus, als die beiden Teams der Patriots und der Hornets das Spielfeld betreten. Ich drücke mich an Limonadeverkäufern und ein paar fanatischen Patriot -Fans vorbei und finde meinen Platz in Reihe 19 zwischen Walt und Rebecca. Floyd sitzt direkt hinter uns, Chubby und Margret sind vor uns, Morris Clayburne kommt gerade mit zwei Milchshakes in der Hand von der anderen Seite und setzt sich auf den freien Platz neben Floyd.
Nirgends in dieser Stadt kann man sich besser verstecken als zwischen Tausenden anderen Menschen, die jubeln und brüllen. Mann muss sich zwar anschreien, um sich zu verstehen, aber dafür versteht auch garantiert keiner der Menschen um einen herum, was man sich zubrüllt. Sie haben ohnehin nur Augen und Ohren für das Spielfeld.
Zunächst begrüßen wir uns nur mit einem Nicken und sehen uns alle von Zeit zu Zeit unauffällig um. Ist jemand von der IFIS einem von uns gefolgt? Macht sich jemand in der Nähe Notizen oder spricht in ein Diktiergerät? Sitzt jemand auf einem der Plätze neben uns, den wir nicht kennen? Wir haben alle Dauerkarten, die Männer und Frauen um uns herum ebenfalls. Ein neues Gesicht würde unweigerlich auffallen. Ich taste meinen Sitzplatz nach versteckten Mikrofonen ab, so sinnlos sie in diesem Tumult
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