Porträt eines Süchtigen als junger Mann
zittern. Zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass an meinem Aussehen, meinem Verhalten, meiner Art zu reden vielleicht etwas ist, das mir selbst nicht auffällt. Etwas an meinen Bewegungen und meinem ganzen Auftreten, das, wie Körper- oder Mundgeruch, nur von anderen bemerkt wird, mir selbst aber entgeht. Starren die Leute mich an? Machen sie im Vorbeigehen ein angewidertes Gesicht? Meine Hose sitzt sehr weit. Vor über einer Woche habe ich mir zuletzt ein Loch in den Gürtel stanzen lassen, und mein dunkelblauer Rollkragenpullover, der wie ein Sack an mir herunterhängt, muss ganz einfach stinken. Obwohl ich seit einem Monat auf Droge bin, täglich literweise Wodka trinke, nicht schlafe und von einem Hotel zum anderen renne, ist die Erkenntnis, dass ich tatsächlich wie ein Junkie aussehen könnte, ein echter Schock für mich. Es kommt mir vor, als ob ich nicht mehr wie bisher unerkannt durchs Leben gehen kann, als ob mir CRACKHEAD in Asche auf die Stirn geschrieben steht und jeder es sehen kann.
Ich bin nirgends und gehöre nirgends hin. Was passiert, steht mir jetzt klar vor Augen – das langsame Abrutschen, das Erreichen des jeweils nächsten unmöglichen Stadiums – Crackhöhle, Entzug, Knast, Straße, Obdachlosenasyl, ein kurzer Schock, dann die Anpassung an die neue Realität. Bin ich jetzt im Fegefeuer zwischen Bürger und Niemand, jungem Gentleman und Penner?
Ich gehe los. Es ist spät morgens, auf den Straßen herrscht Betrieb. Hochbetrieb, doch irgendwie scheint es, als ob man mir Platz macht. Zur Seite tritt, mir ausweicht. Nicht mit mir in Berührung kommen will. Sehen es alle? Ist es so offensichtlich? Habe ich Blut im Gesicht? Ich brauche einen Spiegel. Ich sehe eine schmuddelige Bar irgendwo nördlich der Houston. Sie hat geöffnet, und ich gehe geradewegs zur Toilette. Ich verriegle die Tür, hole wie nichts Tüte, Pfeife und Feuerzeug hervor und mache mir schleunigst einen Hit. Den Spiegel ignoriere ich, denn wenn ich etwas Scheußliches an mir habe, dann möchte ich es noch nicht sehen – erst, wenn ich angeknallt bin. Um das Klicken des Feuerzeugs zu übertönen, drehe ich den Wasserhahn auf. Ich stopfe fast den halben Tüteninhalt in die Pfeife und nehme einen Riesenzug. Den Spiralnebel behalte ich in der Lunge, bis mir die Luft ausgeht. Der Raum verwandelt sich in eine wogende weiße Wolke, eine Crackrauchsauna, und zum Glück ist über dem Waschbecken ein kleines Fenster, das ich sofort aufreiße. Der Spiegel ist direkt am Waschbecken, und während der dichte Qualm aus dem Fenster wabert, schaue ich hinein. Meine Augen sind grün und rot, und der Rollkragen meines Pullovers ist weiß verklebt. Der Rolli und die Jacke sehen drei Nummern zu groß aus. Unter meinem linken Nasenloch klebt getrockneter Schnodder, und der seit Wochen sprießende schwarze Bart ist blond, silbern und rot gesprenkelt. Silbern? Ein alter Mann blickt mich aus dem Spiegel an, abgehärmt, klapprig und verängstigt. Ausgelaugt. Ich ziehe noch einmal an der Pfeife und blase den Rauch zum Fenster hinaus. Noch ein Zug. Und noch einer. Ich setze mich aufs Klobecken und lasse das Crack den Horror des Morgens dämpfen, bis schließlich ein Flämmchen Ruhe in mir aufsteigt. Dann klopft jemand. Schnell nehme ich noch einen Zug aus der Pfeife, ehe ich meinen Pullover saubermache, mir das Gesicht abwische und mir ein wenig Wasser auf die Wangen spritze. Im Spiegel sehe ich immer noch ziemlich zerrupft aus. Aber jetzt finde ich das beinah lustig, nicht mehr so schlimm. Es klopft wieder, und ich raffe mein Zeug zusammen, spüle die Toilette und gehe durch die Bar zur Straße, ohne nach links oder rechts zu schauen.
Ich sehe ein Taxi und halte es an. Der Name eines neueren Hotels Ecke Park Avenue South und 26th fällt mir ein – The Giraffe –, und ich sage dem Fahrer, da soll er hinfahren.
Ziemlich weit
, bemerkt er. Meine ich jedenfalls.
Was haben Sie gesagt?
, frage ich, und er lacht. Ich wiederhole die Frage, und er antwortet ironisch:
Von mir aus bringe ich Sie überall hin.
Die angstlösende Wirkung der Pfeifen, die ich gerade geraucht habe, lässt auf der Fahrt über die Third Avenue rasch nach. Ich überlege, ob ich die Stadt verlassen soll, und denke an Orte wie Florida oder Boston, aber ich weiß einfach nicht, wie man dort an Drogen kommt. Außerdem kann ich hier nirgends mehr einen Flughafen betreten, am wenigsten den in Newark. Ich stelle mir vor, dass überall mein Foto aushängt und Penneytrupps
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