Porträt eines Süchtigen als junger Mann
fühle mich wohl. Gut genug, um ihn zu fragen, ob im Haus etwas frei wäre für mich. Ein Zimmer, wo ich eine Weile abtauchen und übernachten und meine Ruhe haben könnte.
Es würde sich auch auszahlen
, füge ich hinzu. Während ich rede, lächelt er ein wenig, als hätte er jedes Wort vorausgesehen. Nach einer Pause sagt er:
Da weiß ich genau die Richtige für dich. Und keine Sorge, da wirst du nicht behelligt.
Er sagt, er regelt das, und verschwindet im Gebäude. Ich gehe zum Geldautomaten an der Bodega nebenan. Zwanzig Minuten später kommt er wieder raus und sagt:
Alles paletti, komm mit
. Ich spaziere hinein, und wir gehen zu einem Schalter. Mein Pass wird verlangt, und ich bekomme ein Anmeldeformular, auf dem ich meinen Namen und die Uhrzeit eintrage. Mein neuer Freund, dessen Name ich nicht kenne, sagt zu dem uralten Mann am Schalter, dass ich zu ihm gehöre und nur zu Besuch bin.
Wir fahren mit dem Aufzug in den 14. oder 15. Stock hinauf, und er fragt mich, ob sich das Ganze für ihn wirklich gelohnt hat. Ich gebe ihm zweihundert Dollar, und er sagt lächelnd:
Na ja, dann schon.
Wir steigen aus dem Aufzug und gehen einen Flur entlang, und irgendwie war ich noch nicht eine Sekunde nervös oder schreckhaft, seit ich in dem Gebäude bin. Selbst das Anmelden und Ausweisen kam mir ganz unbedenklich vor. Wir bleiben vor einer Tür stehen, und er klopft leise an. Von drinnen höre ich die Stimme einer Frau, dann wie dumpf etwas auf den Boden fällt und ein quietschiges Kichern. Die Tür öffnet sich, und eine kleine schwarze Frau strahlt mich an.
O hallo, du bist also der junge Mann, von dem Marshall gesprochen hat
.
Immer rein
. Ihr Akzent ist schwer zu bestimmen – Cajun, Süden irgendwie. Sie stellt sich als Rosie vor und sagt, ich soll Platz nehmen. Mein neuer Freund, von dem ich jetzt weiß, dass er Marshall heißt, entschuldigt sich. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss, und Rosie und ich sind plötzlich allein in einem Apartment so groß wie drei Kühlboxen. Ich setze mich auf ein Korbsofa für zwei, auf dem sich links wie rechts Kartons, Taschen und vor allem Tüten türmen, die von Schnur, Styropor und Handtüchern überquellen. Ein vertrauter Geruch hängt im Raum. So vertraut, dass ich Rosie frage, ob ich rauchen darf. Sie sagt mit ihrer hohen Stimme und dem schwer zu fassenden Akzent:
Na klar, solang du mir was abgibst
.
Und so frage ich mich in Rosies winziger Bude, woher Marshall wohl wusste, was wir gemeinsam haben. Rein äußerlich sind wir ein unmögliches Paar, aber in einer Hinsicht gleichen wir uns. Wir sind Harold und Maude unter den Cracksüchtigen, denke ich, als sie eine grüne Blechdose hervorholt, in der sie ihre Pfeifen, Kratzer und Feuerzeuge aufbewahrt. Ich nehme meine Tüte heraus, und ab geht’s mit Rosie und mir: Pfeifen säubern, vollpacken, anknallen.
Meine Tüte ist bald leer, und ich frage sie, ob ich einen meiner Dealer kommen lassen kann, aber sie sagt, lieber nicht. Wenn ich noch rauchen wolle, könne ich ihr Geld geben und sie würde schnell was besorgen. Bei ihr hört sich das ganz einfach und harmlos an. Als ginge es um Aspirin aus der nächsten Drogerie. Also gebe ich ihr vierhundert Dollar, und sie schlurft aus dem Zimmer. Inzwischen ist die Sonne untergegangen, und abgesehen von der Weihnachtslichterkette, die Rosie über dem Herd hängen hat, sitze ich im Dunkeln. Sie bleibt über eine Stunde weg, und nachdem ich meine Pfeife (und ihre) ausgekratzt und die allerletzten Reste geraucht habe, mache ich mir zum ersten Mal seit Betreten des Gebäudes Gedanken, dass etwas nicht stimmen könnte. Möglichkeiten tun sich im stillen Dunkel von Rosies Stube auf. Hat sie mich beklaut?, überlege ich, aber dann fällt mir ein, dass ich ja in ihrer Wohnung bin. Wo sollte sie hin? Irgendwann wird sie schon wiederkommen. Vielleicht ist sie aber auch beim Kaufen erwischt worden und wird von einem kleinen Heer Polizisten wieder hierhergeschleift.
Ich bekomme Angst, dass das Ganze eine Falle sein könnte. Dass Marshall ein Verdeckter oder ein Spitzel ist. Wie sonst könnte jemand prompt mit einer netten kleinen cracksüchtigen Oma aufwarten, wenn meine Wenigkeit eine Zuflucht vor der bösen Welt sucht?
Aber Rosie ist kein Spitzel. Rosie hat unter der Lichterkette Crack geraucht und mir ihre halb fertigen Kunstwerke gezeigt. Einmal bin ich nahe daran, zu gehen, aber die Aussicht auf eine fette Ladung Crack ist dann doch stärker. Also schließe ich die
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