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Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Porträt eines Süchtigen als junger Mann

Titel: Porträt eines Süchtigen als junger Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Clegg
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Augen und warte.
     
    Ich schlafe, als Rosie wiederkommt.
Uuh, hat leider ein bisschen gedauert. War nicht ganz einfach, so viel zu kriegen. Hab’s aber. Kannst dich freuen.
Wer ist dieser Engel?, frage ich mich im Aufwachen. Rosie zündet eine Kerze an und bittet um meine Pfeife. Sie legt mir ein neues Sieb ein, hantiert mit den Pfeifen und Tüten wie ein Apotheker und gibt mir schließlich meine mit einem Riesenstein vornedrin zurück.
Kannst du alles nachholen
, meint sie kichernd, als ich ein Königreich an Rauch einziehe und denke, hier, hier bei Rosie könnte ich sterben.
     
    Rosie redet von New Orleans. Sie redet von ihrer Mutter, die Malerin war, und von den ganzen berühmten Jazzmusikern und Künstlern, die sie kannte. Ihre Töchter waren als junge Mädchen begabt, haben dann aber alles sausen lassen.
Sie
wird nie aufgeben,
niemals
, sagt sie und deutet auf die Tüten voll Material, das sie im Lauf der Jahre gesammelt hat.
Man kann nie wissen, was mal gebraucht wird
, kichert sie.
Man kann nie wissen.
Rosie wiegt höchstens vierzig Kilo. Sie ist gerade mal einsfünfzig groß, und ihre Haare, falls sie noch welche hat, sind unter einem verwaschenen silbernen Kopftuch versteckt. Ihre Kunstobjekte sind allesamt halb bis dreiviertel fertig.
Hier kleb ich noch paar Perlen dran, dann ist es gut. Da brauch ich nur noch ein altes Haarnetz drüberzuspannen. Und das Holz an dem da mal ich demnächst auch mal an.
Nichts davon sieht nach was aus, aber mit ein, zwei Handgriffen wird alles schön. Rosies Hände zittern heftig, während sie die einzelnen beinahschönen Nichtse ans Licht hält.
     
    Nach ein paar Stunden Rauchen und Zuhören (Rosie fragt mich nichts) werde ich unruhig. Das Zimmer ist zu klein. Rosie ist niemals still. Und ich habe einen kleinen Berg Drogen in der Tasche, der mir das Gefühl gibt, es mit der Welt aufnehmen zu können.
     
    Ich lasse Rosie ein paar Steine und hundert Dollar da, und sie streicht mir zum Abschied über die Stirn und sagt:
Komm wieder. Vergiss Rosie nicht. Komm wieder.
     
    Ich trete auf den hell erleuchteten Gang hinaus, fahre mit dem Aufzug nach unten und melde mich beim Pförtner ab. Brummvoll mit Drogen und zittrig, weil ich seit über einem Tag nichts gegessen habe, bin ich mir bewusst, wie kaputt ich jetzt aussehen muss. Noch kaputter als am Morgen.
     
    Wie soll ich mich in diesem Zustand bloß in einem Hotel anmelden, frage ich mich, als ich so langsam und so ruhig wie möglich hinaus auf die 23rd Street gehe. Inzwischen ist es Abend. Die Leute eilen vom Dinner nach Hause, zurück ins warme Licht ihrer Wohnungen, um ihre Katzen und Hunde zu füttern und den Babysitter zu bezahlen. Busse jagen die 23rd Street entlang, und Karateschüler spazieren in ihrer Kluft vor mir her, die Sporttaschen über der Schulter. Mein Herz klopft laut, und das Blut schießt mir wie Strom durch die Adern. Ich fühle mich leicht wie eine Waffel, und meine Hose bleibt nicht oben. Telefonieren kann ich nicht, weil ich Angst habe, dass man mich dann wieder aufspürt. Ich habe nur noch etwas über achttausend auf dem Konto und kann nirgendwohin flüchten, nirgends bleiben, nirgends auftauchen, wo man mich kennt. Einfach in irgendein Hotel gehen kann ich nicht, nachdem zwei mich heute schon abgewiesen haben, und das war mehrere Tüten Crack früher, als ich noch präsentabler war. An der Ecke 23rd Steet und 2nd Avenue bin ich halb erfroren. Wo soll ich hin? Jede Richtung ist verkehrt.
Wohin?
     

Genau hier
    Noah und ich sind auf dem Sprung zu ein paar Wochen Urlaub in Cambridge, Massachusetts. Ich rufe meinen Freund Robert an, dessen Lymphom vor kurzem in Remission gegangen ist, und erkundige mich, wie es ihm geht. Er hört sich bestens an. Seine Stimme ist ein Mix zwischen Truman Capote und Charles Nelson Riley. Er war so ziemlich der erste Lektor, der mich in meiner Anfangszeit als Agent angerufen und zum Essen eingeladen hat. Er ist um die Vierzig, offensichtlich schwul, hochintelligent und unverschämt witzig. Nach diesem Essen haben wir uns alle paar Tage mal über die Arbeit, gemeinsame Autoren und Verlagsklatsch unterhalten. Oft bezog sich Robert beruflich und literarisch auf Sachen, von denen ich keine Ahnung hatte, und dann tat ich immer, als wüsste ich Bescheid. Wenn er das gemerkt hat – und das hat er bestimmt –, dann hat er es für sich behalten.
     
    Robert sagt mir am Telefon, dass er wegen etwas mit seiner Lunge noch mal ins Krankenhaus muss.
Nichts Besonderes
, meint

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