Porträt eines Süchtigen als junger Mann
den Typen am Steuer, ob er uns mitnehmen kann, worauf er verblüffenderweise ja sagt. Mein neuer Kumpel – der seine Flugblätter in einen Mülleimer geworfen hat –, kichert hinten in dem Transporter, und einen Moment lang ist er Kenny im Wald mit einer Flasche Scotch, Max, wie er im Kühlraum Lines legt, Ian, wie er den Feuerlöscher schwenkt. Ich kichere mit, so freue ich mich, von dem Lunch weg zu sein, jenseits der Linie, die mich und meinen neuen Freund vom Rest der Welt trennt. Der Transporter rattert die Fifth entlang. Drogen in der Tasche, Komplize an der Hand, Zimmerschlüssel dabei, den ganzen Abend Zeit.
Nachmittag und Abend nehmen ihren Lauf. Wir schlafen nicht miteinander, obwohl ich es möchte. Um zehn bringt Rico Nachschub, und früh um vier ist alles weg. Mein Kumpel wird unruhig und verschwindet. Er möchte fünfzig Dollar für ein Taxi nach Harlem, und ich gebe ihm vierzig. Wieder allein, rauche ich die paar Krümel, die ich versteckt hatte. Kratze die letzten Rückstände aus der kaputten Pfeife und versuche den letzten Tropfen Gift herauszusaugen, bis sie schwarz verrußt ist. Sehe aus dem Fenster und frage mich, ob es hoch genug ist, dass ich sterbe, wenn ich rausklettere und in den Luftschacht springe. Dritter Stock. Kann man vergessen.
Und als dann kein Planen, kein Tun, kein Fitzel Crack mehr im Weg ist, kommt mir ein Gedanke: Noah. Da ich das nicht aushalte, nehme ich die verrußte Pfeife aus dem Aschenbecher und sehe nach, ob sie wirklich nichts mehr hergibt. Ich sehe nach, ob nicht auf dem Boden noch ein Stückchen Crack liegt, ganz am Rand des Teppichbodens vielleicht, und darauf wartet, dass ich es berge, damit es mich retten kann. Aber da ist nichts. Nichts mehr außer mir und dem Bewusstsein, dass ich Noah seit drei Tagen nicht angerufen habe. Es ist sieben Uhr früh, ich bin allein in einem Hotelzimmer nach drei Tagen Crack und ohne Orientierung. Verängstigt. Ich fühle mich, als hätte mich ein Tornado geschluckt und mich in Fetzen wieder ausgespien. Warum habe ich bei jenem Abendessen so viel getrunken? Warum, Herrgott nochmal, warum? Das habe ich mich im grellen Licht hunderter Morgensonnen schon viele hundert Mal gefragt, und wie immer gibt es keine Antwort. Ich räume auf, raffe meine Habseligkeiten zusammen und gehe durch den trüben, stillen Morgen die Fifth Avenue entlang zu dem Haus, das hoffentlich noch mein Zuhause ist.
Noah ist nicht da, als ich hinkomme. Ich rufe an und hinterlasse ihm eine Nachricht, dass ich in der Wohnung bin, im Bett liege und es mir gut geht. Dass es mir leidtut und nicht wieder vorkommt. Dass ich ihn liebe. Ich schlafe für gefühlte Minuten ein, aber wie sich herausstellt, sind es drei oder vier Stunden. Noah weckt mich gegen Mittag. Er hat Tränen in den Augen und spricht freundlicher mit mir, als ich hätte erhoffen können. Er umarmt mich, wie ich da im Bett liege, und tätschelt mir den Rücken wie einem trostbedürftigen Kind. Er macht ein besorgtes Gesicht, und ich weiß, dass etwas im Busch ist. Du hast Besuch, sagt er, und schlagartig begreife ich, dass nun endlich, nach so langer Zeit, so vielen Nächten und Morgen, der Tanz vorbei ist.
Wer?
, frage ich, und er sagt mir, dass meine Schwester Kim, David und Kate im Wohnzimmer sind. Die Welt bleibt stehen. Die Zeit steht still. Ich kann nicht glauben, dass sie Bescheid wissen. Dass sie da sind. Noah hält mir die Hand, und ich bin dankbar für seine Zärtlichkeit. Froh, dass er mich nicht verlässt. Aber der Horror vor dem Bevorstehenden geht mir durch und durch, ich bin wie betäubt.
Gehen wir
, drängt er. Und mit seiner Hilfe steige ich in den Bademantel und schlurfe zu der Tür zwischen Schlaf- und Wohnzimmer. Noah hat die Hand auf meiner Schulter, als ich die Tür öffne und sehe, wie sie da alle um den Couchtisch im sonnendurchfluteten Wohnzimmer sitzen und zu mir herschauen.
Ich wehre mich nicht, noch nicht. Ich bin still und kooperativ, während Kim, Kate, Noah und David mir der Reihe nach sagen, dass sie mich im Kampf gegen die Sucht unterstützen werden, aber nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, wenn ich weiter Drogen nehme. Viele Tränen fließen, und ich komme mir vor wie unter Wasser, als müssten ihre Worte lange Strecken zurücklegen, um zu mir zu gelangen. Unten steht ein Wagen, die Tickets für einen Flug nach Oregon, zu einer Entzugsklinik, sind gekauft, alles ist gepackt und ein Bett wartet. Den Ex-Cop oder Ex-Ledernacken oder Ex-Sportlehrer,
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