Porträt eines Süchtigen als junger Mann
Nachrichten hinterlassen, und bis auf einen Anruf vor zwei Tagen, um ihm zu sagen, dass ich noch lebe und es mir gut geht, habe ich mich nicht bei ihm gemeldet. Vom Abend zuvor habe ich noch immer eine dicke Tüte, was mich ein wenig beruhigt, als ich den bevorstehenden Tag angehe. Ich buche das Hotelzimmer noch einmal und nehme ein Taxi zum One Fifth, um den Anzug zu holen. Da Noah zum Glück nicht dort ist, schnappe ich mir den Anzug, schwarze Schuhe und Socken, schaffe mich raus und fahre mit dem Taxi wieder ins Hotel. Inzwischen ist es zwölf, und das Essen ist um eins. Ich kann nicht glauben, dass ich zwei Nächte und einen ganzen Tag draufgehauen habe. Noah muss vor Angst außer sich sein. Doch obwohl mir das klar ist, rufe ich ihn nicht an, gebe ich ihm nicht Bescheid, dass ich wohlauf bin. Meiner Assistentin habe ich um acht auf die Mailbox gesprochen, dass ich direkt zu dem Lunch gehe; damit wäre das zumindest erledigt. Aber der Lunch! Herrjesus, wie soll ich in dieser Verfassung da hingehen? Ich hocke mich aufs Bett, stopfe einen großen Stein in die speckige, verbrannte Pfeife von vergangener Nacht und inhaliere. Meine Angst wegen des Essens, Noah, meiner Arbeit und allem andern verschwindet wie eine Flamme, die plötzlich keinen Sauerstoff mehr bekommt. Ich wickle die Bettdecke um mich und lasse den warmen, weiten Blitz durch mich hindurchgehen. Dem Gefühl nach liege ich nur ein paar Minuten auf dem Bett, aber als ich mich wieder hinsetze, ist es fünf nach eins. Der Lunch. Das sternenfunkelnde Ereignis, dessen Sirenengesang seit Monaten zu hören ist, hat bereits begonnen, und ich bin hinüber, ungeduscht, unrasiert, dürr vom Crackrauchen und Trinken, was mir in die Finger kommt, statt irgendwas zu essen. Ich rauche noch eine Pfeife und gehe schnell unter die Dusche. Es ist fast zwei, bis ich aus dem Hotel und in ein Taxi komme. Rasiert, geduscht, im Anzug habe ich in den Spiegel gesehen und, o Gott, mir eingeredet, dass ich gut aussehe. Ein bisschen dünn und klapprig zwar, aber der Anzug, nicht zu reden von der Tüte, der Pfeife und dem Feuerzeug in der Brusttasche, geben mir ein wenig Hoffnung, dass ich die nächsten Stunden gut über die Bühne bringe.
Ich komme hin, gehe schnurstracks zur Bar und kippe einen großen Wodka. Der Lunch findet in einem separaten Speiseraum im ersten Stock statt, vor dem eine kleine Toilette ist. Ich verschwinde in der vergoldeten kleinen Kabine und lade mir schleunigst die Pfeife. Meine Hände zittern, da seit dem letzten Hit im Hotel über zwanzig Minuten vergangen sind, und ich kann kaum die Flamme ruhig halten. Ich inhaliere und huste erst, als mir die Lunge brennt, den Rauch heraus. Ich wasche mir die Hände, spüle den Mund mit Seife aus, um den Geruch zu verdecken, und blase auf die Pfeife, damit sie abkühlt, bevor ich sie in Klopapier wickle und wieder in die Anzugtasche stecke.
Die lange Tafel im Saal ist hübsch mit Blumen und gebundenen Leseexemplaren des Buchs dekoriert. Offenbar hat man gerade erst Platz genommen. Da es vor dem Essen einen Umtrunk gab, ist meine Abwesenheit zum Glück weniger aufgefallen, als wenn sich alle um Punkt eins zu Tisch gesetzt hätten. Jean steht auf, als sie mich hereinspazieren sieht.
Ich bin gerade erst angekommen! Bitte entschuldige die Verspätung!
, flötet sie. Jean weiß also gar nicht, dass ich mich selbst verspätet habe. Auch das ein Wunder. Irgendwie unterhalte ich mich mit der Autorin, ihrem legendären Lektor, einigen anderen, setze mich neben Jean an den Tisch, und das Essen nimmt ohne mein Zutun seinen Lauf, und auch meine Verspätung löst anscheinend keine Kontroversen aus. Ich sage, ich sei erkältet, einfach angeschlagen. Für Jean erfinde ich Probleme in der Familie, um die ich mich hätte kümmern müssen, und sie zittert vor aufrichtigem Mitgefühl. Zweimal entschuldige ich mich während des Essens, um an der Bar unten Wodka zu kippen und auf dem Klo zu rauchen. Gegen halb vier verabschiede ich mich allerseits, laufe hinaus auf die Fifth Avenue, und als ich einen Mann in den Dreißigern sehe, der Flugblätter verteilt, kommt mir etwas an ihm bekannt vor, und ich frage ihn, ob er Drogen nimmt. Auf sein Ja hin frage ich:
Crack?
Er strahlt mich an und sagt, oder vielmehr lacht:
Mannomann
.
Seinen Namen vergesse ich wieder, aber wir werden schnell Freunde. Wir wollen mit dem Taxi zu dem Hotel in der 24th fahren, finden aber keins. Neben mir hält ein Transporter wegen der Ampel, und ich frage
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