Porträt eines Süchtigen als junger Mann
treffen wollte, um ihr zu sagen, was für eine schreckliche Mutter sie ist. Verblüfft über ihren plötzlichen Ausbruch antworte ich, dass sie mir doch nur sagen soll, ob sie sich an so etwas erinnert und mir bestätigen kann, dass es wirklich passiert ist, weil ich nichts als einen Haufen wirrer, von einem Seelenklempner aufgeschüttelter Erinnerungen daran habe. Unter Tränen sagt sie etwas, das sich anhört wie:
Darüber rede ich nicht, dein Vater war derjenige …
Meine letzte Erinnerung dazu ist, dass sie mich fragt, ob ich eine Ahnung habe, wie schwer sie es damals hatte, was für ein Albtraum jene Jahre für sie waren. Ich sage ja, sie hätte es immer sehr gut verstanden, uns klarzumachen, wie schwer sie es hat, und sie verlässt das Restaurant. Ich laufe ihr nach, aber sie verschwindet wortlos in einem Taxi. Ich gehe wieder ins Restaurant, zahle die Rechnung und verliere auf dem Weg zur Agentur drei Straßen weiter meine Brieftasche, meine Schlüssel und meine Sonnenbrille.
Ich fange eine ambulante Therapie an, die ich nicht zu Ende mache, halte mich nur eine Zeitlang an die Ratschläge zur Abstinenz, die man mir in der Klinik gegeben hat, telefoniere ein paarmal mit meinem Zimmergenossen und den anderen Jungs – die vor Wochen noch wie eine Familie für mich waren – und gebe, bevor der Monat um ist, den Kontakt mit ihnen auf.
Ich denke, ich bin über den Berg. Ich stürze mich in die Arbeit, konzentriere mich auf die Agentur, die Autoren, die ich vertrete, und es sieht aus, als könnte ich mich hinter der Arbeit verschanzen, als schützte sie mich vor der Versuchung. Ich sehe, wie die Leute auf Empfängen und Partys trinken, und bin zunächst erleichtert, dass ich das nicht mehr nötig habe. Nach ein paar Monaten fängt es dann doch an, an mir zu nagen. Wie Gedankenblasen im Comic melden sich kleine Rauschphantasien, vor allem, wenn ich allein bin, nach langen Arbeitstagen, oder wenn ich ein Mittagessen ausgelassen habe und vom Hunger leicht benommen bin. Im Oktober finde ich eine alte Crackpfeife in der Tasche eines Blazers, der in unserem Schlafzimmerschrank hängt. Ich verstecke das Ding an wechselnden Orten, umkreise es wochenlang wie ein Falke, dann kratze ich schließlich die alten Rückstände heraus und ziehe sie durch. Es gibt nur den leisesten Anflug eines Rauschs, den die panische Angst, dass ich rückfällig geworden bin, schnell vertreibt. Kaum hat es angefangen, ist es wieder vorbei, und Noah, der gleich darauf hereinkommt, stimmt mir zu, dass wir es niemandem erzählen sollten. Ich verstecke die Pfeife, nehme sie mit ins Büro und verlege sie irgendwie. Wochenlang sorge ich mich, dass irgendjemand – meine Assistentin, Kate, die Putzfrau – sie dort gefunden hat und mich zur Rede stellen wird. Nichts dergleichen geschieht.
Und dann, sieben Monate später, unmittelbar vor dem Sundance Film Festival in Park City, Utah, will ich mich mit Noah zum Sushi-Dinner im Japonica treffen. Am Morgen des Tages vor diesem Dinner kommt mir der Gedanke, Crack zu rauchen, doch anstatt ihn wegzuschnippen wie sonst halte ich mich dabei auf. Und hänge ihm nach, bis ich mir sage: Warum nicht? Übermorgen reist Noah ab, dann bin ich fast zwei volle Tage allein in der Stadt. Ich habe schwer gearbeitet, alles läuft, niemand wird Verdacht schöpfen. Innerhalb von Sekunden bin ich an meinem Handy und rufe zum ersten Mal seit fast einem Jahr Stephen an. Wir holen ihn längst nicht mehr als Bartender für unsere Partys, aber entgegen dem Rat in der Reha, alle drogenbezogenenen Telefonnummern zu löschen, habe ich seine noch. Er nimmt beim ersten Klingeln ab, und wir verabreden uns für später an der Ecke vor meinem Bürogebäude. Um sechs fahre ich nach unten, und er lehnt draußen an der Wand. Er ist dünner, als ich ihn in Erinnerung habe, älter. Ich grüße ihn nur kurz, obwohl er anscheinend Gesellschaft sucht. Ich gebe ihm 400 Dollar zum Kaufen und 200 für die Dreckarbeit und verabrede mich mit ihm für den nächsten Tag. Anfangen will ich zwar nichts mehr mit ihm, aber das Kaufen über ihn finde ich halb so schlimm. Solange ich mich nicht wieder mit Dealern einlasse, ihre Telefonnummern nicht wieder ausgrabe, ist der kleine Trip hier doch nur eine einmalige Sache, eine Ausnahme, eine harmlose, aber notwendige Auszeit.
Am nächsten Tag treffe ich mich kribblig und gespannt mit Stephen an derselben Ecke. Diesmal ist er ganz geschäftsmäßig. Er gibt mir eine kleine braune Tüte
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