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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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langen, im Hof
aufgestellten Tische mit Blumen und Tannenzweigen zu
schmücken und dem Wein in den Krügen Zucker hinzuzugeben
- der Wein war so mit Wasser verdünnt, daß Erwachsene nicht
betrunken davon wurden, und die Kinder bekamen ihn mit
geröstetem Mehl vermischt. Ein Priester kam für zwei, drei Tage
und taufte die Neugeborenen, nahm Sündern die Beichte ab,
traute wild zusammenlebende Paare und redete Ehebrechern ins
Gewissen. Am 24. Dezember um Mitternacht wohnten wir der
Messe bei vor einem im Freien aufgebauten Altar, weil die
kleine Kapelle des Gutes nicht die vielen Menschen faßte, und
in der Frühe, nach einem reichhaltigen Frühstück mit
Milchkaffee, duftenden Brötchen, Sahne, Marmelade und
Sommerfrüchten, spazierten wir in einer fröhlichen Prozession
zum Jesuskind, damit jeder ihm die Füße aus Steingut küssen
konnte. Don Sebastian bestimmte, welche Familie sich durch
einwandfreie moralische Führung am meisten ausgezeichnet
hatte, und der wurde dann das Christkind übergeben. Ein Jahr
lang bis zum nächsten Weihnachtsfest würde der Glaskasten mit
der kleinen Statue einen Ehrenplatz in der Hütte dieses Bauern
innehaben und ihm Segen bringen. Solange er dort stand, konnte
nichts Böses geschehen. Don Sebastian wußte es schon zu
richten, daß so gut wie jede Familie die Möglichkeit bekam,
Jesus unter ihrem Dach zu beherbergen. In diesem Jahr hatten
wir auch das allegorische Stück über die Ankunft des neuen
Jahrhunderts auf dem Programm, in dem alle Mitglieder der
Familie mitwirkten außer Dona Elvira, die sich zu schwach
fühlte, und Diego, der sich lieber um die technischen Dinge
kümmerte wie zum Beispiel die Beleuchtung und die Kulissen.
Don Sebastian übernahm gutgelaunt die traurige Rolle des alten
Jahrhunderts, das murrend abging, und eines von Susanas
Kindern stellte - noch in Windeln - das neue dar.
    Auf die Nachricht vom kostenlosen Essen kamen auch einige
Pehuenche-Indios herbei. Sie waren sehr arm sie hatten ihr Land
verloren, und von den Fortschrittsplänen der Regierung wurden
sie schlicht übersehen -, aber aus Stolz kamen sie nicht mit
leeren Händen; sie brachten unter ihren Umhängen ein paar
Äpfel, die sie uns mit Schweiß und Schmutz bedeckt
überreichten, dazu ein totes, nach Aas riechendes Kaninchen
und einige ausgehöhlte Kürbisse mit muchi, einem Likör, aus
einer kleinen, violetten Frucht hergestellt, die sie kauen und mit
Speichel vermischt in einen Topf spucken, wo sie sie gären
lassen. Der alte Häuptling ging voran mit seinen drei Frauen und
seinen Hunden, gefolgt von etwa zwanzig Leuten seines
Stammes. Die Männer ließen ihre Lanzen nicht los, und obwohl
sie vier Jahrhunderte lang diskriminiert und niedergehalten
worden waren, hatten sie ihr stolzes Auftreten nicht verloren.
Die Frauen hatten nichts Scheues an sich, sie waren so
unabhängig und selbstbewußt wie die Männer, zwischen den
Geschlechtern bestand eine Gleichheit, der
Nívea Beifall
geklatscht hätte. Sie grüßten förmlich in ihrer Sprache und
nannten Don Sebastian und seine Söhne »Bruder«; sie wurden
willkommen geheißen und eingeladen, an dem Eßgelage
teilzunehmen, wurden aber beobachtet, denn sie waren dafür
bekannt, daß sie bei der geringsten Nachlässigkeit gern dies und
jenes mitgehen ließen. Mein Schwiegervater war der Ansicht,
sie hätten keinen Sinn für Eigentum, weil sie an ein Leben in
Gemeinschaft und ans Teilen gewöhnt seien, aber Diego hielt
dagegen, daß die Indios, so schnell sie auch bei fremder Habe
Zugriffen, nicht zuließen, daß einer das Ihrige anrührte. Weil
Don Sebastian fürchtete, sie würden sich betrinken und dann
gewalttätig werden, versprach er dem Häuptling ein Faß
Branntwein für ihren Abgang, denn das durften sie auf seinem
Grund und Boden nicht öffnen. Sie setzten sich zu einem großen
Kreis zusammen, aßen, tranken, rauchten alle aus derselben
Pfeife und hielten lange Reden, denen keiner zuhörte, mischten
sich aber nicht unter die Bauern, die Kinder allerdings tobten
und spielten alle zusammen. Das Fest gab mir Gelegenheit, die
Indios zu fotografieren, soviel ich Lust hatte, ich freundete mich
auch mit ein paar von den Frauen an in der Hoffnung, sie
würden mir erlauben, sie in ihrem Lager auf der anderen Seite
des Sees zu besuchen, wo sie sich für den Sommer
niedergelassen hatten. Sobald die Weidegründe nichts mehr
hergaben oder wenn sie die Landschaft satt hatten, rissen sie die
Pfähle aus

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