Portrat in Sepia
wiederholte mir immer wieder,
solche Vermutungen könnten nur Einfalle des Teufels sein, die
Wurzel schlugen und wie tödliche Geschwulste in meinem Hirn
sprossen, Einfalle, die ich gnadenlos bekämpfen mußte, aber der
Wurm der Unruhe war stärker als meine guten Vorsätze. Da
waren erst einmal die Familienfotos, die ich Iván Radovic
gezeigt hatte. Was auf den ersten Blick nicht sichtbar war - weil
wir daran gewöhnt sind, nur das zu sehen, was wir sehen wollen,
wie mein Meister Juan Ribero sagte -, kam in Schwarzweiß auf
dem Papier ans Licht. Die untrügliche Sprache des Körpers, der
Bewegungen, der Blicke zeigte sich hier, unverkennbar. Nach
diesem ersten Anklingen des Argwohns griff ich immer häufiger
zur Kamera; unter dem Vorwand, ein Album für Dona Elvira
zusammenzustellen, machte ich bei jeder Gelegenheit
Momentaufnahmen von der Familie, die ich dann in der
Abgeschlossenheit meiner Werkstatt entwickelte und mit
perverser Aufmerksamkeit studierte. So bekam ich schließlich
eine abscheuliche Sammlung winziger Beweise zusammen,
manche so fein, daß nur ich, vom Groll vergiftet, sie wahrnahm.
Mit der Kamera vor dem Gesicht
- einer Maske, die mich
unsichtbar machte - konnte ich in Ruhe die Szene einstellen und
gleichzeitig eine eisige Distanz wahren. Gegen Ende April, als
die Hitze abnahm, Wolken die Gipfel der Vulkane krönten und
die Natur anfing sich für den Herbst zurückzuziehen, schienen
mir die auf den Fotos enthüllten Anzeichen ausreichend, und ich
machte mich an die widerwärtige Aufgabe, Diego zu
überwachen wie irgendeine eifersüchtige Frau. Als ich endlich
die Klammer zur Kenntnis nahm, die mir die Kehle zudrückte,
und ihr den Namen geben konnte, den sie im Wörterbuch hat,
hatte ich das Gefühl, in einem Sumpf zu versinken. Eifersucht.
Wer sie nie gekannt hat, weiß nicht, wie weh sie tut, und kann
sich nicht vorstellen, was für Torheiten man in ihrem Namen
begeht. In den dreißig Jahren meines Lebens habe ich sie nur
dieses eine Mal verspürt, aber die Verletzung war so brutal, daß
die Narben noch immer nicht verwischt sind, und ich hoffe
auch, sie werden bleiben, als eine Mahnung, dieses Gefühl nie
mehr aufkommen zu lassen. Diego war nicht mein eigen
-
niemand kann jemals einem anderen gehören
-, und die
Tatsache, daß ich seine Frau war, gab mir kein Recht über ihn
oder seine Gefühle, die Liebe ist ein frei geschlossener Vertrag,
der mit einer Nichtigkeit beginnen und genauso auch enden
kann. Tausend Gefahren bedrohen sie, und wenn das Paar sie
dagegen verteidigt, kann sie sich retten, kann wachsen wie ein
Baum und Schatten und Früchte spenden, aber das geschieht
nur, wenn beide daran teilhaben. Diego hatte das nie getan,
unsere Beziehung war von Anfang an verurteilt. Heute verstehe
ich das, aber damals war ich blind, anfangs aus purer Wut und
später aus untröstlicher Betrübnis.
Während ich meinen Mann mit der Uhr in der Hand
bespitzelte, wurde mir klar, daß seine Abwesenheiten nicht recht
mit seinen Erklärungen übereinstimmten. Wenn er scheinbar mit
Eduardo zur Jagd ausgezogen war, kam er viele Stunden früher
oder später zurück als sein Bruder; wenn die anderen Männer
der Familie in die Sägemühle gingen oder das Vieh
zusammentrieben, um es mit Brandzeichen zu versehen, tauchte
er plötzlich auf dem Hof auf, und wenn ich später bei Tisch das
Thema anschnitt, stellte sich heraus, daß er den ganzen Tag
nicht mit ihnen zusammengewesen war; wenn er ins Dorf ging,
um einzukaufen, kam er ohne alles zurück, weil er natürlich
nicht gefunden hatte, was er suchte, selbst wenn es etwas so
Banales war wie eine Axt oder eine Säge. In den vielen Stunden,
die die Familie gemeinsam verbrachte, wich er jeder
Unterhaltung aus, und immer war er es, der mit dem
Kartenspielen anfing oder Susana bat, uns etwas vorzusingen.
Wenn sie ihre Migräne hatte, langweilte er sich sehr bald und
ritt aus, die Flinte auf dem Rücken. Ich konnte ihm auf seinen
Ausflügen nicht folgen, ohne daß er es gemerkt hätte und ohne
in der Familie Verdacht zu erregen, aber ich blieb aufmerksam
und beobachtete ihn, wenn er in der Nähe war. So stellte ich
fest, daß er mitten in der Nacht aufstand, aber nicht, um sich aus
der Küche etwas zu essen zu holen, wie ich angenommen hatte,
sondern er trat auf den Hof hinaus und verschwand für eine oder
zwei Stunden, kam dann leise zurück und legte sich wieder ins
Bett. Ihm nachzugehen war in der Dunkelheit
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