Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
dem Boden, die ihre Behausungen stützten, rollten
die Zelte zusammen und zogen davon auf der Suche nach neuen
Ufern. Wenn ich einige Zeit bei ihnen verbringen könnte,
würden sie sich vielleicht an mich und meine Kamera
gewöhnen. Ich wollte sie so gern bei ihren täglichen
Verrichtungen aufnehmen, ein Gedanke, der meine
Schwiegereltern entsetzte, denn es gingen alle möglichen
haarsträubenden Geschichten über die Sitten und Gebräuche
dieser Stämme um, bei denen die geduldige Arbeit der
Missionare kaum eine Spur hinterlassen hatte.
    Meine Großmutter kam mich diesen Sommer doch nicht
besuchen, wie sie versprochen hatte. Die Reise im Zug oder auf
dem Schiff hätte sie ertragen, aber zwei Tage auf einem
Ochsenkarren vom Hafen bis Caleufú machten ihr angst. Ihre
wöchentlichen Briefe waren mein einziger Kontakt mit der
Außenwelt; je mehr die Zeit verging, um so mehr wuchs meine
ziellose Sehnsucht. Meine seelische Verfassung veränderte sich,
ich wurde ungesellig, wurde immer schweigsamer, zerrte meine
Ernüchterung wie eine schwere Brautkleidschleppe hinter mir
her. Die Einsamkeit brachte mich meiner Schwiegermutter
näher, dieser sanften, zurückhaltenden Frau, die vö llig von
ihrem Mann abhängig war ohne eigene Ideen, unfähig, mit den
geringsten Anstrengungen des Lebens fertig zu werden, die aber
ihre Einfalt durch unendliche Güte wettmachte. Meine stillen
Wutanfälle zerbröckelten in ihrer Gegenwart, Dona Elvira besaß
die Gabe, mich zu mir selbst zu bringen und die Bangigkeit zu
lindern, die mich bisweilen zu ersticken drohte. In diesen
Sommermonaten waren wir mit Ernten, Jungvieh und
Einkochen beschäftigt, die Sonne ging erst nach neun Uhr
abends unter, und die Tage waren endlos. Inzwischen war das
Haus fertig geworden, das mein Schwiegervater für Diego und
mich hatte bauen lassen, solide, kühl, schön, an allen vier Seiten
von überdachten Gängen eingefaßt, es roch nach neu
verarbeitetem Lehm, frisch geschlagenem Holz und nach
Basilikum, das die Bauern entlang der Mauern gepflanzt hatten,
um Unglück und Zauberei zu verscheuchen. Meine
Schwiegereltern schenkten uns einige Möbel, die der Familie
schon durch mehrere Generationen gedient hatten, den Rest
kaufte Diego in der Stadt, ohne mich nach meiner Meinung zu
fragen. Statt des breiten Bettes, in dem wir bislang geschlafen
hatten, erstand er zwei stahlharte Bettstellen und stellte sie
getrennt mit einem Tischchen dazwischen auf. Nach dem
Mittagessen zog sich die Familie bis fünf Uhr in die jeweiligen
Zimmer zurück zur obligaten Ruhe, weil angenommen wurde,
daß die Hitze die Verdauung lähme. Diego streckte sich in
einem Liegestuhl unter der Weinlaube aus, um ein Weilchen zu
rauchen, dann ging er hinunter zum Fluß, weil er schwimmen
wollte; er ging gern allein, und die wenigen Male, die ich ihn
begleiten wollte, zeigte er sich so belästigt, daß ich verzichtete.
Da wir diese Stunden der Siesta nun einmal nicht in der
Vertraulichkeit unseres Schlafzimmers teilten, verbrachte ich sie
mit Lesen oder mit Arbeiten in meinem kleinen Labor, denn ich
konnte mich nicht daran gewöhnen, mitten am Tage zu schlafen.
Diego bat mich um nichts, fragte mich nach nichts, zeigte kaum
ein halbwegs wohlerzogenes Interesse für meine Tätigkeiten
oder Gefühle, wurde nie ärgerlich über meine wechselnden
Seelenzustände, meine Albträume, die mit größerer Häufigkeit
und Intensität zurückgekehrt waren, oder über mein trotziges
Schweigen. Zuweilen vergingen Tage, ohne daß wir ein Wort
wechselten, aber er schien das gar nicht zu merken. Ich schloß
mich in mein Stummsein ein wie in eine Rüstung, zählte die
Stunden, um zu sehen, wie lange wir die Situation hinausziehen
konnten, aber zuletzt gab ich immer nach, weil die Stille mich
mehr bedrückte als ihn. Früher, als wir noch dasselbe Bett
teilten, schob ich mich an ihn heran, tat, als schliefe ich, drängte
mich an seinen Rücken und schlang meine Beine um die seinen,
und so überbrückte ich manchmal den Abgrund, der sich
unerbittlich zwischen uns auftat. Bei diesen seltenen
Umarmungen suchte ich keine Lust - ich wußte ja gar nicht, daß
das möglich war -, sondern nur Trost und Gemeinsamkeit. Für
ein paar Stunden lebte so die Illusion auf, ich hätte ihn
zurückerobert, aber dann kam der Morgen, und alles war wieder
wie immer. Als wir in das neue Haus umzogen, war es auch mit
dieser schwankenden Vertraulichkeit vorbei, denn der Abstand
zwischen den beiden

Weitere Kostenlose Bücher