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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Betten war weiter und feindseliger als ein
reißender Fluß. Hin und wieder jedoch, wenn ich schreiend
hochschreckte, von den Wesen in den schwarzen Pyjamas
verfolgt, sprang er auf, kam zu mir und umarmte mich fest, um
mich zu beruhigen; diese Art des Beisammenseins war vielleicht
die einzige spontane in unserer Beziehung. Ihn beunruhigten
meine Albträume, er fürchtete, sie könnten in Wahnsinn
ausarten, deshalb beschaffte er sich ein Fläschchen mit Opium
und gab mir von Zeit zu Zeit ein paar Tropfen, in Orangensaft
aufgelöst, die mir zu glücklichen Träumen verhelfen sollten. Oft
zog Diego los zu einem Ausflug über die Anden hinweg ins
argentinische Patagonien, oder er ging ins Dorf, Vorräte kaufen,
es konnte aber auch passieren, daß er für zwei, drei Tage ohne
Erklärung verschwand, und ich saß dann voller Sorge da und
stellte mir vor, er wäre verunglückt, aber Eduardo beruhigte
mich: Sein Bruder sei schon immer so gewesen, ein
Einzelgänger, in der Grenzenlosigkeit dieser wilden Natur
aufgewachsen, an Stille gewöhnt, von klein auf an brauche er
die weiten Räume, er habe die Seele eines Vagabunden, und
wäre er nicht in das enge Netz dieser Familie geboren, wäre er
vielleicht Seemann geworden. Wir waren ein Jahr verheiratet,
und ich fühlte mich ganz und gar mangelhaft, nicht nur, daß ich
unfähig gewesen war, ihm ein Kind zu schenken, ich hatte es
auch nicht geschafft, ihn für mich zu interessieren, und schon
gar nicht, ihn in mich verliebt zu machen: etwas Grundsätzliches
fehlte meiner Weiblichkeit. Ich nahm an, er habe mich nur
gewählt, weil er im heiratsfähigen Alter war und der Druck
seiner Eltern ihn zwang, eine Braut zu suchen; ich war die erste,
vielleicht die einzige gewesen, die ihm über den Weg lief. Diego
liebte mich nicht. Das hatte ich von Anfang an gewußt, aber mit
der Dreistigkeit der ersten Liebe und meiner neunzehn Jahre
schien mir das kein unüberwindliches Hindernis, ich hatte
geglaubt, ihn durch Zähigkeit, innere Schönheit und Koketterie
verführen zu können wie in den Liebesromanen. In dem
angstvollen Bemühen, herauszubekommen, was in mir nicht
stimmte, brachte ich Stunden damit zu, Selbstbildnisse von mir
zu machen, einige vor einem großen Spiegel, den ich in mein
Labor schleppte, und andere, für die ich mich vor der Kamera
aufbaute. Ich machte Hunderte Fotos, teils bekleidet, teils nackt,
überprüfte mich aus allen Richtungen, und das einzige, was ich
entdeckte, war eine dämmerdunkle Traurigkeit.
    Von ihrem Krankensessel aus beobachtete Dona Elvira das
Leben der Familie, übersah keine Kleinigkeit, bemerkte auch
Diegos lange Abwesenheiten und meine Verzweiflung und
zählte zwei und zwei zusammen. Ihr Zartgefühl und die
chilenische Gewohnheit, nicht über Gefühle zu sprechen,
hinderten sie, das Problem direkt anzugehen, aber in den vielen
Stunden, die wir zusammen verbrachten, kamen wir uns immer
näher, daß wir schließlich wie Mutter und Tochter zueinander
waren. Und so, taktvoll und nach und nach, erzählte sie mir von
den Schwierigkeiten, die sie anfangs mit ihrem Mann gehabt
hatte. Sie hatte sehr jung geheiratet und bekam ihren ältesten
Sohn erst fünf Jahre später, nach verschiedenen Fehlgeburten,
die ihrer Seele wie ihrem Körper sehr zugesetzt hatten. Zu jener
Zeit mangelte es Sebastian Dominguez sowohl an Reife wie
auch an Verantwortungsgefühl für das Eheleben, er war
ungestüm, vergnügungssüchtig, und er hurte herum - das Wort
gebrauchte sie natürlich nicht, ich glaube nicht, daß sie es
überhaupt kannte. Dona Elvira fühlte sich verlassen
- ihre
Familie wohnte weit entfernt -, sie war einsam und verschreckt,
und sie war überzeugt, daß ihre Ehe ein schrecklicher Irrtum
gewesen sei und der Tod die einzige Lösung. »Aber Gott erhörte
meine Bitten, Eduardo kam zur Welt, und von einem Tag zum
ändern änderte Sebastian sich völlig, es gibt keinen besseren
Vater und keinen besseren Ehemann als ihn, wir leben seit über
dreißig Jahren zusammen, und jeden Tag danke ich dem
Himmel für das Glück, das wir aneinander haben. Man muß
beten, Töchterchen, das hilft sehr«, riet sie mir. Ich betete, aber
sicherlich ohne die nötige Inbrunst und Ausdauer, denn nichts
änderte sich.
    Der Verdacht hatte sich schon Monate vorher gemeldet, aber
ich hatte ihn, angeekelt von mir selbst, beiseite geschoben; ich
konnte ihn nicht akzeptieren, ohne etwas Böses in meiner
eigenen Natur aufzudecken. Ich

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