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Portrat in Sepia

Portrat in Sepia

Titel: Portrat in Sepia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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schmerzten so sehr, daß er nicht einmal mehr seine geliebte
Fechtkunst betreiben konnte und auch auf andere Sportarten
verzichten mußte. Morgens wachte er mit so starken Schmerzen
auf, daß er sich fragte, ob nun nicht doch der Augenblick
gekommen sei, sich mit dem Gedanken an Selbstmord näher zu
befassen, eine Idee, die er nährte, seit er den Namen seiner
Krankheit kannte, aber wenn er aus dem Bett aufstand und sich
bewegte, fühlte er sich besser, dann kehrte mit neuem Schwung
seine Lebensfreude zurück. Seine Handgelenke und Knie
schwollen an, ihm zitterten die Hände, und das Opiumrauchen in
Chinatown war nicht länger eine Lustbarkeit, sondern wurde zur
Notwendigkeit. Amanda Lowell war es, seine gute Gefährtin in
allen Vergnüglichkeiten und einzige Vertraute, die ihn
überzeugte, wieviel vorteilhafter es sei, sich Morphium zu
spritzen, es war wirkungsvoller, sauberer und eleganter als eine
Pfeife Opium: eine winzige Dosis, und augenblicklich
verflüchtigte sich die Angst und machte tiefem Frieden Platz.
Aber der Skandal um den kommenden Bastard zerrüttete
schließlich doch sein Gemüt, und mitten im Sommer verkündete
er plötzlich, er werde in den nächsten Tagen nach Europa
abreisen, vielleicht könnten eine Luftveränderung, die
Thermalbäder in Italien und die englischen Ärzte seine
Symptome lindern. Er sagte allerdings nicht, daß er sich in New
York mit Amanda Lowell treffen werde, um mit ihr gemeinsam
den Atlantik zu überqueren, denn ihr Name wurde in der Familie
nie ausgesprochen, wo die Erinnerung an die rothaarige Schottin
Feliciano Verdauungsstörungen einbrachte und Paulina in
dumpfe Wut versetzte. Doch nicht nur seine Kränklichkeit, nicht
nur der Wunsch, so weit wie möglich aus Lynns Nähe zu
kommen, waren der Grund für Matías’ plötzliche Reiselust,
sondern neue Spielschulden, wie seine Eltern bald nach seiner
Abfahrt erfuhren, als zwei sehr reserviert auftretende Chinesen
in Felicianos Büro erschienen, um ihm mit äußerster Höflichkeit
mitzuteilen, entweder, er zahle die Summe, die sein Sohn ihnen
schulde, oder es werde einem Mitglied seiner ehrenwerten
Familie etwas höchst Unangenehmes zustoßen. Statt einer
Antwort ließ der Magnat sie aus seinem Büro hinaus auf die
Straße werfen, dann rief er Jacob Freemont zu sich, den
Journalisten, der sich in der Unterwelt der Stadt auskannte. Der
hörte ihn verständnisvoll an, er war ja ein guter Freund von
Matías, und begleitete ihn dann zum Chef der Polizei, einem
Australier mit nicht sehr sauberem Ruf, der ihm einige
Gefälligkeiten schuldete, und bat ihn, die Angelegenheit auf
seine Art zu regeln. »Die einzige Art, die ich kenne, heißt
zahlen«, antwortete der Beamte und machte sich daran, ihnen zu
erklären, weshalb sich mit den Tongs niemand anlegte. Er hatte
schon Leichen einsammeln müssen, deren Körper von oben bis
unten aufgeschlitzt waren, die Eingeweide lagen ordentlich
verpackt in einem Karton daneben. Das waren natürlich
Racheakte von »Schlitzaugen« untereinander, bei den Weißen
sorgten sie wenigstens dafür, daß es wie ein Unfall aussah. Ob
er denn nie darauf geachtet habe, wie viele Leute in
unerklärlichen Bränden umkamen, in einsamen Straßen von
Pferdehufen zertrampelt wurden, in den ruhigen Wassern der
Bucht ertranken oder von Ziegelsteinen erschlagen wurden, die
unerfindlicherweise von einem Baugerüst herabfielen? Feliciano
Rodriguez de Santa Cruz zahlte. Als Severo Lynn erzählte,
Matías sei nach Europa abgereist, ohne in naher Zukunft
zurückkehren zu wollen, begann sie zu weinen und weinte fünf
Tage lang, trotz der Beruhigungsmittel, die Tao Chi’en ihr
verabreichte, bis ihre Mutter ihr zwei Ohrfeigen gab und sie
zwang, der Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen: Sie hatte eine
Dummheit begangen, und jetzt gab es weiter kein Mittel
dagegen, als die Folgen zu tragen; sie war kein kleines Mädchen
mehr, sie wurde Mutter und sollte dankbar sein, daß sie eine
Familie hatte, die ihr beistand, andere in ihrer Lage wurden auf
die Straße gesetzt und verdienten sich ihren Lebensunterhalt auf
üble Weise, während ihre Bastarde im Waisenhaus aufwuchsen;
es war an der Zeit, sich damit abzufinden, daß ihr Liebster sich
verdrückt hatte, sie mußte Vater und Mutter für das Kind sein
und endlich einmal reif werden, denn in diesem Haus hatte man
ihre Launen langsam satt; zwanzig Jahre war ihr mit vollen
Händen gegeben worden; sie sollte nicht denken, daß sie ihr

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