Portugiesische Eröffnung
halten.« Damals hatte ich gelacht, weil es so unvorstellbar erschien. Und war dennoch gegangen.
Letztlich war er nicht zu den Berbern zurückgekehrt, hatte nicht wie versprochen die felsige Wildnis des Hohen Atlas gewählt, sondern eine andere, wildere Wüste.
Ich klopfte mit dem verschlossenen Zigarettenpäckchen auf meine Handfläche und spürte, wie die Zigaretten sich darin bewegten. In dieser Geste lag eine gewisse Befriedigung, selbst wenn ich mir den Genuss versagte.
Um sechs Uhr an der Statue von Adamastor. Es war kein Verrat, sagte ich mir, legte die Zigaretten weg und ging zur Tür. Kein Verrat, sondern reine Notwendigkeit. Und doch hatte ich mir mehr Zeit erhofft, einige Tage, in denen ich mich an die Vorstellung gewöhnen und mir einreden konnte, dass ich das Richtige tat.
Ich drückte den Schalter. Die grelle Deckenlampe erleuchtete den Raum in seiner ganzen Schäbigkeit, die bedrohlichen und undefinierbaren Flecken, die das menschliche Leben begleiten. In der Fensterscheibe sah ich mein verschwommenes Spiegelbild, blasse Arme und Beine, von der Tür eingerahmt. Und meine erhobene Hand, in der ich die Nachricht hielt.
Damals kam es mir vor, als hätte ich eine ganze Ewigkeit so gestanden. Heute weiß ich, wie schnell es ging. Wie rasch das Telefon klingelte und ich mich meldete.
»Wir müssen nur mit ihm reden«, sagte Valsamis zu Nicole. »Finde heraus, was er weiß.«
Nicole sagte nichts. Valsamis sah sie auf der Bettkante sitzen. Sie fuhr sich übers Gesicht. Eine verzweifelte Geste.
Valsamis drehte sich um und warf einen Blick auf die Ruger auf dem Nachttisch. Noch vier Stunden. Oder er erledigte es jetzt, unauffällig und leise. Doch wenn am Morgen etwas schiefgehen sollte, Rahim kalte Füße bekäme oder gar nicht auftauchte, hätte er ein Problem.
»Nicole?«
»Ja?«
»Sie haben das Richtige getan.«
Dreizehn
Santa Catarina ragte in der frühmorgendlichen Dunkelheit wie die Hochzeitstorte einer Verrückten auf, die einzelnen Stufen vom Wildwuchs der Stadt überzuckert und mit Palmwedeln, Dächern und filigranen Manueline-Fassaden verziert, deren Steine sich wie Buttercreme aus einer Spritztülle kringelten. An der südlichen Flanke des Hügels die lange, schmale Schlucht, in der die Schienen der Standseilbahn verliefen wie die Spur eines gierigen Fingers.
Auf dem Largo do Calhariz am Ende der Bahnstrecke fiel aus den Fenstern einer Kaffeebude grelles Licht auf den verlassenen Platz, die Tische und umgedrehten Stühle und die zusammengefalteten Sonnenschirme, die an schlafende Fledermäuse erinnerten. Drinnen bliesen ein barista und zwei Gäste Rauchkringel zu den Neonlampen empor.
Unten am Tejo schimmerte die Ponte 25 de Abril wie ein Armband am schwarzen Handgelenk des Flusses. Und am anderen Ufer streckte die große Cristo-Rei-Statue der Stadt die Arme entgegen.
Ich blieb vor der erleuchteten Bude stehen, blickte in die Dunkelheit und holte die Suaves aus der Tasche. Wir müssen nur mit ihm reden, hatte Valsamis mir versichert.
Das war natürlich gelogen. Ich wusste, was die Amerikaner mit Leuten wie Rahim machten. Das wussten wir alle.
Gierig riss ich die Zellophanhülle auf, schüttelte eine Zigarette aus dem Päckchen und zündete sie an. Ich legte meine zitternde Hand schützend um die Streichholzflamme und genoss den warmen Rauch, den Geschmack des Tabaks.
Es war zwölf Jahre her, dachte Rahim, als er in den Hauseingang zurückwich. Nicole bog in die Rua Santa Catarina und kam genau auf ihn zu. Zwölf Jahre, und Rahim wusste nicht, weshalb sie nach Lissabon zurückgekehrt war. Was immer der Grund sein mochte, es war gefährlich, dass sie nach ihm fragte, gefährlich für sie beide. Selbst in diesem Augenblick fürchtete er, jemand könne sie beobachten. Darum hatte er sich auch entschlossen, hier statt am Aussichtspunkt zu warten.
Eine Windbö wehte vom Fluss herauf. Nicole zog den Kragen ihres Mantels enger und stemmte die Schultern gegen den Wind. Sie war nur noch wenige Meter entfernt und trat ins Licht der Straßenlaterne. Sie trug keine Handschuhe, die Fingerknöchel waren rot und rissig, und als sie noch näher kam, erkannte Rahim den nassen Fleck auf ihrer Wange, wo der Wind ihr die Tränen in die Augen getrieben hatte. Nicht schön, dachte er, niemand hätte behaupten können, Nicole sei schön. Doch sie besaß etwas Natürliches, ihr ganzer Körper war unverfälscht wie diese blassen Hände. Und trotz allem, was zwischen ihnen geschehen war, begehrte er
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