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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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hatte und man mich nur loswerden wollte, um Komplikationen zu vermeiden.
    Die Aussicht auf Absolution war verlockend, Dummheit statt Schuld. Ich wollte nur meine Haut retten. Doch tief im Inneren wusste ich, dass die Antwort leider nicht so einfach war.
    Ich zündete mir mit zitternden Händen die Zigarette an und schaute durchs Fenster auf die Fähre, die immer noch weit vom Anleger entfernt war. Neben mir an der Theke standen drei alte Männer, die übliche Stammbesetzung, die stets viel Kaffee und Anisette im Blut hat, wie man sie in sämtlichen Cafés zwischen Athen und Lissabon findet.
    »Ich sage es noch einmal!«, beharrte der Rentner neben mir. »Da gibt es nichts zu finden.« Er rollte die Zeitung auseinander und breitete sie vor sich auf der Theke aus, bevor er mit seinem knorrigen Zeigefinger auf die Schlagzeile tippte.
    Seine Freunde nickten zustimmend. Dann kamen sie auf das Thema Fußball, bei dem es mit der Einigkeit schnell vorbei war.
    Ich trank meinen Kaffee aus und entzifferte mühsam die portugiesische Schlagzeile, UN-INSPEKTEURE FINDEN NUR SAND UND SCHMUTZ. Darunter war das Foto eines leeren Lagerhauses zu sehen.
    Nichts Neues, dachte ich. Es sind zwölf Jahre vergangen, aber der Streit ist immer noch der gleiche. Für einen Moment war ich wieder in unserer Wohnung in der Travessa da Laranjeira, horchte auf das kehlige Summen des Radios und wartete noch immer, dass Rahim ins Bett kam.
    Ich schloss die Augen und verdrängte die Erinnerung.
     
    Der junge Mann am Empfang blickte auf, als Valsamis die Hotelhalle betrat. Er hatte in einem Heftroman gelesen, auf dessen abgenutztem Cover ein maskuliner Typ auf einem muskulösen Pferd und eine bronzehäutige Frau in enger Lederkluft, die verführerisch zu seinen Füßen kauerte, zu sehen waren.
    Das romantische Bild der nordamerikanischen Indianer, dachte Valsamis und erinnerte sich an die Blackfeet und Salish seiner Kindheit, schmutzige Teenies in uralten Autos, und an einen Jungen in seinem Alter, den er im Winter auf dem Weg nach Great Falls einmal vor einer Kneipe gesehen hatte. Zwanzig Grad unter null und dreißig Zentimeter Neuschnee, doch der Junge hatte ohne Schuhe und Mantel in der Kälte gewartet. Seine Füße waren rot und wund, die streichholzdünnen Arme marmoriert und mit blauen Flecken übersät.
    Zu faul und zu dumm, um auf ihre Familie aufzupassen, hatte Valsamis’ Vater gesagt, doch als sie wieder einstiegen, hatte seine Mutter nach hinten gegriffen, Valsamis’ abgenutzte braune Stiefel aufgeschnürt und sie zusammen mit seinem Mantel zu dem Jungen gebracht.
    Er mochte neun, vielleicht zehn gewesen sein, doch schon damals hatte er verstanden, was die Geste seiner Mutter bedeutete, dass es nicht nur Kleidung war, die sie weggab, sondern etwas vom Leben seines Vaters. Soundso viele Stunden in der Schmelzhütte. Ein Opfer, das er für sie gebracht hatte. Doch als Valsamis sich beklagte, hatte sein Vater, ohne sich umzublicken, nach hinten gelangt und ihm eine saftige Ohrfeige verpasst.
    Valsamis beobachtete, wie sich der junge Mann wieder seinem Buch zuwandte, und ging in sein Zimmer hinauf. Er hatte Nicole so gut wie gehabt und war wütend, weil er die Sache vermasselt hatte, wütend auch auf Morrow, der ihn überhaupt erst nach Lissabon geschickt hatte. Eigentlich hätte um diese Zeit alles erledigt sein sollen.
    Nur ein kleiner Rückschlag, dachte er, während er die Zimmertür aufschloss, doch er durfte keine Zeit verlieren. Die Vorhänge waren geöffnet, und er konnte Nicoles Zimmer gegenüber sehen. Alles dunkel. Sie würde nicht hierher zurückkommen. Finden würde er sie trotzdem.
     
    Es war nur ein kurzer Fußweg vom Anleger in Cacilhas zur alten Molkerei. Zehn Minuten, dann stand ich wieder zu Füßen des Milchmädchens. Am Hafen war mir die Katze eingefallen, und ich hatte dem alten Mann vom Verkaufsstand am Pier ein Dutzend gegrillte Sardinen abgekauft. Zum Glück, denn die Katze wartete schon auf mich und tigerte wie ein ungeduldiger Liebhaber auf dem Treppenabsatz auf und ab.
    Ich ging die Treppe hoch und trat ein. Drinnen tastete ich im Dunkeln nach der Kette, mit der man die Lampe einschalten konnte, während sich die schnurrende Katze an meine Knöchel schmiegte. Im grellen Licht der nackten Birne wirkte das Zimmer sehr hässlich. Das schmale Bett, die leeren Regale: Alles war schmutzig und abgenutzt. Dennoch, für heute Abend würde es reichen.
    Ich wickelte die Sardinen auf dem winzigen Küchentisch aus. Sie waren

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