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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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danach im Gewimmel des Flughafens von Los Angeles.
    Valsamis’ Vater war ein überzeugter Antikommunist, ehemals Mitglied der National Republican Greek League und Überlebender der bürgerkriegsähnlichen Unruhen, die Griechenland nach dem Zweiten Weltkrieg erschüttert hatten. Im Sommer 1949 war er in den Bergen an der albanischen Grenze gewesen und hatte nicht vergessen, dass Trumans Luftwaffe ihnen zu Hilfe gekommen war.
    Am Abend von Trumans Tod saßen Valsamis und sein Vater lange beisammen und tranken auf den ehemaligen Präsidenten. Sein Vater erzählte bei selbstgemachtem Retsina Geschichten von der Front, die inzwischen zu Legenden und Mythen ausgeschmückt worden waren. Er berichtete von dem Leben, das er geführt hatte, bevor er Vater von acht Kindern wurde und fünfundzwanzig Jahre lang Kupfer schmolz, eine Arbeit, die seinen Körper niedergedrückt hatte wie eine schwere Last.
    Nachdem sein Vater ins Bett gewankt war, ging Valsamis auf sein Zimmer, holte die Visitenkarte aus dem alten Seesack und legte sie behutsam auf die gelbe Patchworkdecke, die seine Mutter genäht hatte, CENTRAL INTELLIGENCE AGENCY stand auf der Karte, darunter das offizielle Siegel und ein Name.
    Richard Morrow, der Mann aus dem Flugzeug. Saubere Hände an dem schwitzenden Glas mit Gin Tonic. Hemd und Zähne so weiß, dass es Valsamis beinahe blendete. Als sich die Maschine im Landeanflug auf das versmogte Los Angeles senkte, hatte Morrow auf die riesige Schlagzeile über die amerikanische Niederlage in Vietnam gedeutet. Jemand muss dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal passiert.
    Valsamis steckte die Karte weg, schaltete das Licht aus und legte sich ins Bett. Draußen in der Dunkelheit pfiff der Wind, jagte über die hohe Anaconda-Ebene, peitschte ums Haus und ließ die alten Fenster und hölzernen Läden knarren und stöhnen wie ein Schiff im Sturm.
     
    Sentimentalität, dachte John Valsamis und ärgerte sich über seine Erinnerungen. Das alles war über dreißig Jahre her, sein Vater seit fast zehn Jahren tot, und doch kehrten die Bilder an diesem Abend zurück, als er im Café Nicola an der Theke saß und zwei alte Männer beim Schachspiel beobachtete.
    Selbst die Kommunisten waren weg, ein gescheitertes Experiment, das in einem Regal im Archiv der Geschichte verschimmelte. In Beijing stand in jeder Wohnung ein nagelneuer Fernseher, an jeder Ecke gab es einen Kosmetikladen.
    Heute sahen sie sich einer Bedrohung gegenüber, die sie niemals verstehen würden, dachte Valsamis. Einem Zorn, aus dem Gefühl geboren, benachteiligt zu sein, einem Zorn, der alles Amerikanische vergötterte und seine eigenen Götzen gleichzeitig hasste. Schlimmer noch, dieser Feind war ein selbsterschaffenes Ungeheuer, ein Flickwerk aus Geld, Waffen und Öl, eine Raserei, die ihnen oft genutzt hatte und sich nun gegen sie wendete.
    Ja, jemand musste dafür sorgen, dass es nicht wieder passierte, dachte Valsamis, bestellte einen zweiten Kaffee und warf eine Handvoll Münzen auf die Theke.
    Sein Handy klingelte. Er meldete sich.
    »Wir haben sie«, sagte der Anrufer. Die Stimme klang farblos, ein Akzent aus dem Mittleren Westen.
    »Wo?«
    »Lissabon. Sie hat ein E-Mail-Konto von einem öffentlichen Server am Largo do Picadeiro 10 abgerufen. Scheint ein Internetcafé zu sein.«
    »Sie hat E-Mails abgerufen?« Valsamis hatte schon mehrfach Kosteckys Verbindungen zur NSA genutzt, staunte aber immer noch, wozu diese Leute fähig waren.
    »Ja, Sir. So wie es aussieht, nur Spam. Aber sie hat mehrere Mails an einen privaten Account geschickt.«
    »Haben Sie einen Namen für mich?«
    »Der Account ist auf einen Sergej Velnychenko registriert. Die E-Mails gingen an eine Privatadresse auf Tortola, British Virgin Islands.«
    Der Mann zögerte, als hätte er noch etwas zu sagen, warte aber auf weitere Anweisungen. »Sir?«, fragte er schließlich. »Ich kann Ihnen die Mitschriften gern vorlesen.«
     
    Eitelkeit, dachte ich auf dem Rückweg zum Largo do Picadeiro, mein eigener Stolz hatte mich hierher geführt. Vor Jahren hatte ich mir gewünscht, Rahim möge daran zugrunde gehen, dass ich ihn verlassen hatte. Und doch hatte er sein Leben hier weitergeführt, seinen Appetit gestillt.
    Aber Sie irren sich in Rahim, hörte ich mich an jenem Abend in meiner Küche in Paziols sagen. Ich kenne ihn. So etwas würde er nicht tun. Hatte ich mir nicht insgeheim gewünscht, Valsamis möge recht haben? Hatte meine Eitelkeit mich nicht hoffen lassen, dass er schwach

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