Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
Vom Netzwerk:
einer kleinen Stadt in den Pyrenäen. Arbeitet als Freie für Solomon, britische Firma für Dokumentensicherheit.«
    »Worum geht es? Telefon, E-Mail?«
    »Was immer mir hilft, sie zu finden. Ich habe vor ein paar Tagen in Lissabon ihre Spur verloren.«
    »Ich bin dran«, sagte Kostecky. »Wie soll ich dich kontaktieren?«
    Valsamis nannte seine Nummer. »Du kennst die Regeln, das bleibt unter uns«, warnte er Kostecky.
    »Ja, ich kenne die Regeln.« Kurze Pause. »Ich nehme an, du hast von Kanj gehört.«
    »Dass ihn die Pakistaner endlich gefasst haben? Jetzt scharren wohl alle mit den Hufen, um ihr Stück vom Kuchen abzubekommen.«
    »Es heißt, der Nahe Osten bereite ihn für Amman vor. Offiziell ist er aber noch ein Geist. Der bekommt jedenfalls keinen Besuch vom Roten Kreuz.« Kostecky lachte grob.
    Valsamis hörte wieder die Frau. »Ey kar yamshee ila alqasr? Welcher Bus fährt zum Palast?«
    »Hast du diese Scheißsprache je kapiert?«, wollte Kostecky wissen.
    Valsamis lächelte bei sich. »Ich komme zurecht.«
     
    Ich war völlig durchnässt und zitterte vor Kälte, als ich endlich vom Beco de Santa Helena in die Gasse bog, in der Eduardo Morais lebte. Ich trat unter die schützende Loggia und klopfte an die alte grüne Tür, wobei ich mein Gesicht dem heiligen Vinzenz zuwandte.
    Graça öffnete mir die Tür. Sie trug Designerjeans und einen schwarzen Rolli. Das Haar fiel ihr offen auf die Schultern.
    »Mein Großvater schläft«, verkündete sie und schaute mich trotzig an. Die Nägel ihrer nackten Füße waren dunkelrot lackiert.
    »Ich bin nicht wegen Eduardo gekommen.«
    »Ach nein?«
    Die Frau hat es in sich, dachte ich, die will mich absichtlich aus der Fassung bringen. Doch die Tatsache, dass ich sie als Kind gekannt hatte, machte die beabsichtigte einschüchternde Wirkung zunichte.
    »Rahim ist tot.« Taktvoller konnte ich es in meinem schlechten Portugiesisch nicht ausdrücken.
    Graças Hand tastete nach dem Türrahmen, ihr Gesicht fiel förmlich in sich zusammen. Einen Moment lang war die harte Maske verschwunden und ließ Unsicherheit und Trauer erkennen.
    »Ich habe Sie vor der Molkerei gesehen. Gestern Nachmittag. Ich war dort drinnen.«
    »Was wollen Sie von mir?« Wieder diese Feindseligkeit.
    »Ich möchte hereinkommen. Ich muss wissen, woran Rahim gearbeitet hat.«
    Graça hatte sich gefasst. Sie machte einen Schritt nach vorn und vertrat mir den Weg. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
    Zwanzig, dachte ich, höchstens einundzwanzig. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie nicht älter als zehn.
    »Rahim ist tot«, wiederholte ich auf Englisch, weil ich zu müde für diese Spielchen war. »Man hat ihn heute Morgen am Miradouro de Santa Catarina erschossen, und mich hätten sie beinahe auch erwischt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Leute herausfinden, dass Sie mit ihm zusammen waren. Ist Ihnen das klar?«
    Graça nickte. Sie hat Angst, dachte ich, kein Wunder, selbst der Name ihres Großvaters wird sie nicht vor Valsamis und seinen Auftraggebern schützen.
    »Diese Leute meinen es ernst.«
    Sie wich einen Schritt zurück, und ich dachte schon, sie würde mich hereinlassen, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Ich kann Ihnen nicht helfen.« Dann schlug sie mir die Tür vor der Nase zu.

Sechzehn
    John Valsamis hatte seinen Vater nur zweimal weinen sehen. Das erste Mal am 22. November 1963, als John F. Kennedy in Dallas erschossen wurde. Valsamis war in der Schule, als es passierte. Beim Nachhausekommen fand er den Mann, der ihn einmal geschlagen hatte, weil er Essen verschwendete, schluchzend vor den schwarz-weißen Bildern von Jackie vor, die in ihrem blutigen Kleid aus dem Krankenwagen stieg.
    Und beinahe zehn Jahre später, als Harry Truman starb. Diesmal war es keine Tragödie, das Leben eines alten Mannes war zu Ende gegangen, und dennoch hatte Valsamis’ Vater wie ein kleines Kind geweint.
    Damals war Valsamis gerade aus Vietnam zurückgekommen. Er hatte seinen Abschied von den Marines genommen und sah sich nun dem Rest seines Lebens gegenüber, der Tretmühle Fabrik, die so viele Tage und Nächte seiner Familie aufgefressen hatte. Vier Brüder und ein Vater, die alle Überstunden machten. Drei Schwestern, die alle den gleichen Typ Mann geheiratet hatten.
    Als er auf dem Rückweg von Honolulu in der ersten Klasse saß, hatte ihm ein Mann im dunkelblauen Anzug einen Vorschlag gemacht. Er sprach von Castro und Allende, gab Valsamis seine Visitenkarte und verschwand

Weitere Kostenlose Bücher