Portugiesische Eröffnung
war entsetzt einen Schritt zurückgewichen. Dann hatte sie geflüstert: »Man sagt, es war ein Araber.«
Graça durchquerte die schmale Gasse und beschleunigte ih re Schritte, sodass die Stiefelabsätze ein Stakkato aufs Pflaster schlugen. Sie hätte es wissen müssen. Sie zog den Mantel enger, weil sie vor Kälte zitterte. Sie hätte wissen müssen, dass mit dem Job für al-Rashidi etwas nicht stimmte. Selbst Rahim hatte gesagt, es sei zu viel Geld für das, was der Mann verlangte. Ein paar falsche Papiere, die jeder Trottel am Computer hätte fabrizieren können. Doch Graça hatte den Job gewollt, und Rahim hatte es ihr letztlich nicht abschlagen können.
Vor ihr schoss eine Katze aus dem Schatten, Saramago, der große getigerte Kater ihres Großvaters. Er stolzierte auf sie zu, ganz König der Straße. Graça bückte sich und streckte die Hand aus. Der Kater stieß gegen ihre Handfläche, strich mit dem Rücken darunter entlang und machte vor lauter Behagen einen Buckel. Als Graça ihm über den Schwanz streichelte, wurde ihre Hand ganz feucht. Kein Wasser, sondern etwas Klebriges, ein dunkler Fleck im Licht der Gaslaternen.
Sie roch an der Hand und wich angeekelt zurück. Blut, ganz eindeutig. Aber nicht das Blut des Katers, er schien völlig unversehrt. Er schoss los, blieb vor der Haustür stehen und blickte sich ungeduldig um, weil er von seiner Dienerin hereingelassen werden wollte, obwohl er ganz genau wusste, wie die Katzentür an der hinteren Terrasse funktionierte.
Graça wischte sich die Hand an der Jeans ab und holte den Schlüssel aus der Tasche. Beim Näherkommen bemerkte sie, dass die Tür angelehnt war, der Spalt nicht breiter als ein Zentimeter.
Sie wusste genau, dass das Schloss hinter ihr eingerastet war. Seltsam, dass ihr Großvater um diese Uhrzeit noch an der Tür gewesen war. Vielleicht hatte der Kater gekratzt, damit er ihn hereinließ. Andererseits nahm Saramago meist den Weg durch die Katzentür, wenn niemand öffnete.
Graça legte die Hand an den Türknauf und drückte dagegen. Die Tür schwang auf, vor ihr lag das Stück Flur, das von der Lampe im Treppenhaus erhellt wurde.
»Papi?«, flüsterte sie.
Saramago sauste an ihr vorbei in die Küche. Etwas stimmte nicht. Die Pfoten des Katers tappten wie menschliche Füße auf einem nassen Badezimmerboden.
»Papi?« Vorsichtig trat sie vor und spähte in den Flur.
Am Fuß der Treppe breitete sich ein großer dunkler Fleck auf dem Boden aus. Zur Küche hin sah man die Abdrücke des Katers, die blasser wurden, als wäre ihnen die Farbe ausgegangen. Links davon war eine breite Spur zu erkennen, als hätte man etwas Schweres über den Boden geschleift.
Graça schaute auf ihre Hand, die schwache Patina von Blut. »Mein Gott.« Sie musste würgen, stützte sich mit der Hand am Türrahmen ab. So viel Blut, dachte sie, viel zu viel.
Über ihr, genau dort, wo sich ihr Schlafzimmer befand, knarrten die alten Dielenbretter. Menschliche Schritte. Jemand durchsuchte ihr Zimmer.
Graça wich zurück. Zu viel Blut, um überlebt zu haben, dachte sie und schloss die Tür hinter sich. »Segne mich, Vater«, flüsterte sie und begann zögernd, das Ave Maria zu beten. Dann rannte sie nur noch, rannte in die Dunkelheit, in das Labyrinth der Häuser und Gassen.
Ich hatte eine unbequeme Nacht in dem schmalen Bett in der Molkerei verbracht, wie betäubt von der ungeheuren Erschöpfung. Im Traum war ich an einem ganz anderen Ort gewesen, im Zug nach Süden, zusammen mit Rahim, als »The Girl from Ipanema« leise durch die Wand drang. Beim Aufwachen schmeckte mein Mund nach Wein und Zigaretten, dem säuerlichen Geschmack der Scham.
Es war noch dunkel. Die gleißenden Lichter des Hafens verliehen dem Himmel einen dunklen Ockerton. Die Katze lag eingerollt und schnarchend zu meinen Füßen, die Augen fest geschlossen, die Schnurrhaare zuckten. Sie träumte sicher, sie sei wieder schlank und geschmeidig und finge Ratten in der verlassenen Molkerei.
Ich drehte mich um und versuchte, den Traum zu vertreiben, der mich geweckt hatte, doch Rahim wollte einfach nicht verschwinden. Ich sah ihn wieder zusammengesunken in dem Hauseingang sitzen, gezeichnet von Valsamis’ Kugel, dem dunklen Mal meines Verrats.
Neben dem Haus regte sich etwas im Unkraut, größer als eine Katze, aber fast ebenso leise. Ich sprang auf und lief ans Fenster. Unten an der Treppe war eine Gestalt zu erkennen, schwarzes Haar, schmale Schultern. Graça Morais. Sie schaute zögernd zu
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