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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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den zerbrochenen Fenstern und der geschlossenen Tür hinauf. Dann kam sie herauf.
     
    »Ich wusste nicht, wohin«, sagte Graça. Sie hockte zitternd auf einem Klappstuhl mit verschlissenem Bezug und hatte den Mantel fest um sich gezogen. Auf ihrer Jeans war ein Blutfleck zu sehen, wo sie sich die Hand abgewischt hatte. Auch ihre Haut war rostrot gefärbt.
    Ich nahm die Espressokanne von der Kochplatte, schenkte zwei Tassen ein und reichte ihr eine.
    »Wegen dieser Unterkunft habe ich Rahim ganz schön ausgeschimpft«, sagte sie und umklammerte die angeschlagene Tasse. Sie schaute sich in dem spartanisch eingerichteten Raum um. Wir hatten uns geeinigt, englisch zu sprechen. Sie sprach gut, war geschult durch Popmusik und amerikanische Fernsehserien.
    »Er hatte viele Geheimnisse«, sagte sie. »Woher haben Sie von dem hier gewusst?«
    »Ihr Großvater hat es mir gesagt.«
    Sie überlegte. »Meinen Sie, wir sind hier sicher?«
    »Das will ich hoffen«, sagte ich achselzuckend.
    »Wer immer es gewesen ist, er war noch im Haus«, sagte sie und schaute in ihre Tasse.
    »Hat man Sie gesehen?«
    »Nein, aber ich konnte jemanden oben in meinem Schlafzimmer hören.«
    Valsamis, dachte ich. Er war nicht der Typ, der anderen solche Aufgaben überließ.
    »Als ich zuletzt hier war, habe ich eine Versandrechnung gefunden«, sagte ich. »Über eine Lieferung Stahlkabel von Transnistrien nach Basra im Irak.«
    Graças Kopf schoss in die Höhe, und die coole Fassade löste sich in Luft auf. Sie steckte bis über beide Ohren in der Sache.
    »Sie wussten von dieser Rechnung, oder?«
    Graça trank einen Schluck Kaffee und kniff die Augen zu.
    »Wir finden schon einen Ausweg«, versicherte ich ihr, ohne es selbst zu glauben. »Aber Sie müssen mir sagen, was Sie wissen.«
    Sie öffnete die Augen und schaute mich an, mit distanziertem Blick, als fände sie allmählich wieder zu sich selbst. »Ich kann mich an Sie erinnern. Von früher, als ich ein Kind war.«
    Einen Moment lang saß ich wieder auf der Terrasse von Eduardo Morais, im Schatten seines Obstgartens, in dem die großen Blätter der Weinstöcke miteinander flüsterten. Eine Partie Gin Rummy, das träge Klatschen der Karten auf dem alten Holztisch. Auf dem Stuhl neben mir Rahim, der wie immer, wenn er ein gutes Blatt hatte, in naivem Triumph das Gesicht verzog. »Ja«, sagte ich.
    Graça nickte. »Was machen Sie hier?«
    Ich wartete einen Moment, hätte sie im Grunde das Gleiche fragen können. »Ich weiß es nicht.« Mehr brachte ich nicht heraus.
    Graça stand auf, trat an das schmutzige Fenster und schaute schweigend in die Dunkelheit. Die Katze folgte ihr und wand sich zwischen ihren Beinen hindurch.
    »Dieser Job, die Rechnung«, sagte ich unsicher, weil ich nicht wusste, wo ich anfangen und wie viel ich preisgeben sollte. »Man hat mir gesagt, dass Rahim für die Islamic Armed Revolution gearbeitet hat.«
    Sie schoss herum. »Das soll wohl ein Witz sein.«
    Ich schüttelte den Kopf, doch sie glaubte mir nicht.
    »Rahim hat diese Leute gehasst. Er bezeichnete sie als Feiglinge. Ich war bei ihm, als im letzten Herbst das World Trade Center einstürzte. Er fand es abscheulich, genau wie wir alle.« Sie fischte ein Päckchen Zigaretten aus der Tasche und nahm eine heraus. »Außerdem«, sie steckte sie in den Mund und zündete ein Streichholz an, »außerdem war die Rechnung für Transnistrien mein Job.«
    »Ihr Job?« Ich versuchte, meine Überraschung zu verbergen.
    Graça nickte stolz. »Ja, al-Rashidi ist damit zu mir gekommen.«
    »Wie lange sind Sie schon im Geschäft?«
    »Einige Jobs habe ich bereits erledigt.«
    »Und Ihr Großvater wusste davon?«
    »Ja.« Sie schnippte die Asche von ihrer Zigarette.
    Er wusste es, aber nicht so genau, dachte ich bei mir. »Wie ist al-Rashidi auf Sie gekommen?«
    »Vor einigen Monaten habe ich einen Auftrag für einen gewissen Vitor Gomes erledigt. Einwanderungspapiere. Vitor hat mich al-Rashidi empfohlen.«
    »Und Gomes? Wie sind Sie an ihn geraten?«
    »Er kam zu meinem Großvater, aber Papi wollte den Auftrag nicht übernehmen.«
    »Und da haben Sie ihm Ihre Dienste angeboten?«
    »Ja.«
    »Hat Ihr Großvater auch gesagt, weshalb er nicht für Gomes arbeiten wollte?«
    »Sie kennen ihn, oder?«
    Ich nickte.
    »Dann wissen Sie auch, wie er sein kann. Ich dachte, der Job sei ihm zu simpel. Nichts zum Zähneausbeißen, wie er immer sagte.«
    »War al-Rashidis Job denn zum Zähneausbeißen?«
    Graça zuckte die Achseln. »Es

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