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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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reichte.« Sie wandte sich ab, doch ich sah die Röte in ihren Wangen. Sie war eine gute Lügnerin, aber nicht gut genug.
    »Sie konnten es nicht allein?«
    »Ich weiß, was ich tue.«
    »Aber Sie konnten die Rechnung nicht allein fertig stellen.«
    »Stimmt.« Sie nahm einen langen Zug von der Zigarette und schlang den anderen Arm um die Brust, war den Tränen nahe.
    »Was hat Rahim gesagt, als Sie ihn um Hilfe baten?«
    »Er fand, es sei zu viel Geld für einen kleinen Job.«
    »Und wie viel war es?«
    »Zehntausend Euro«, antwortete Graça leise.
    »Für eine gefälschte Versandrechnung?« Eine gewaltige Summe für die Arbeit von zwei Tagen, ein Preis, zu schön um wahr zu sein.
    Graça nickte. Sie wusste, dass sie einen Fehler begangen und welchen Preis sie dafür gezahlt hatte.
    »Rahim war trotzdem bereit, Ihnen zu helfen?«
    »Ja.«
    Kein Wunder, dachte ich.
    »Hat al-Rashidi bezahlt?«
    »Die Vereinbarung lautete eine Hälfte bei Abschluss, die andere bei Lieferung. Ich habe ihm die Rechnung vor zwei Wochen übergeben und die zweite Hälfte bekommen.«
    »Sie haben die Rechnung persönlich abgeliefert?«
    »Wir haben uns im Casa Suíça getroffen.«
    »War Rahim auch dabei?«
    »Nein.«
    »Aber die beiden müssen sich getroffen haben«, beharrte ich, als mir Valsamis’ Fotos von Rahim und al-Rashidi auf der Terrasse des Brasileira einfielen. »Zumindest, um die Einzelheiten des Auftrags zu besprechen.«
    Graça schüttelte den Kopf. »Nur ich hatte mit al-Rashidi zu tun.«
    »Aber Sie haben ihm gesagt, dass Sie mit jemand anderem zusammenarbeiten.«
    »Nein.« Sie rauchte ihre Zigarette auf, trat ans Waschbecken und spülte vorsichtig die Glut ab.
    Die Kraft, die sie über den Fluss zu mir geführt hatte, war versiegt; sie wirkte erschöpft und ließ sich gegen die Arbeitsplatte fallen. »Es tut mir leid«, sagte sie auf Portugiesisch.
    Ich wollte sie irgendwie trösten, beherrschte mich aber. »War die Übergabe Ihr einziges Treffen?«
    »Wir waren uns zuvor einmal begegnet. Ganz am Anfang, um den Job zu besprechen.«
    Ich trank einen Schluck Kaffee und spielte am angeschlagenen Rand der Tasse herum.
    »Und Gomes?«, fragte ich. »Was wissen Sie über ihn?«
    »Eigentlich gar nichts. Wie gesagt, er kam zu meinem Großvater. Er ist Zuhälter. Hauptsächlich Junkies. Afrikanerinnen.«
    »Wissen Sie, wo ich ihn finde?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wie nett, dass Sie ihm geholfen haben«, sagte ich.
    Sie wirkte völlig ungerührt, und ihr Blick verriet mir, dass ich ihrer Ansicht nach Schlimmeres getan hatte.
    Ich kippte den Kaffee in die Spüle. Das Kaffeemehl war alt gewesen und schmeckte furchtbar bitter. Eines musste ich Graça noch fragen. »Wussten Sie, dass Rahims Bruder Driss hier war?«
    Sie nickte. »Er kam alle paar Monate zu Besuch. Er hat eine Moschee in Toulouse.«
    »Eine Moschee?«
    »Er ist eine Art Geistlicher«, erklärte Graça. »Imam oder wie sie es nennen. Ich bin ihm nie begegnet. Ich glaube, er hielt nicht viel von Rahims Lebensstil.«
    Nein, dachte ich. Manche Dinge änderten sich eben nie. Ich stellte die leere Tasse weg. »Sie müssen jetzt schlafen. Nehmen Sie das Bett.«
     
    John Valsamis drehte das Wasser ab und stieg aus der Dusche. Zwei Stücke billiger Hotelseife waren bis auf ihren blumigen Duft verschwunden, doch er konnte es immer noch riechen. Der Gestank war hartnäckig wie der eines ausgenommenen Wapitis an einem kalten Morgen. Es waren nicht seine Kleider, die hatte Valsamis luftdicht in drei Plastiktüten verpackt, sogar die Unterwäsche. Er würde sie später entsorgen. Nein, der Gestank saß in ihm fest, er spürte das Blut des alten Mannes in der Nase und in der Kehle.
    Valsamis hatte völlig vergessen, wie viel Blut in einem Menschen war, denn er hatte schon lange niemanden mehr aus der Nähe getötet. Bei Morais war es ihm vorgekommen, als strömte es mit aller Macht auf den Fliesenboden, als beeile er sich geradezu mit dem Sterben.
    Schon einmal hatte Valsamis diese seltsame Hast erlebt. Vor Jahren, in einem kleinen Dorf im Hochland von Annam, östlich der Grenze zu Laos. Den Auftrag hatte er auch versaut. Damals war er noch grün hinter den Ohren und vollkommen verängstigt gewesen. Bei einem seiner ersten Einsätze war er im Dunkeln über ein junges Mädchen gestolpert, noch jünger als er selbst. Hübsch wie eine Hirschkuh und genauso still war sie vor ihm aus dem Gebüsch getreten. In diesem Augenblick verließ ihn jede Vernunft, die pure Angst trieb ihn

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