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Portugiesische Eröffnung

Portugiesische Eröffnung

Titel: Portugiesische Eröffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Siler
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den getönten Scheiben auf. Ein junger Mann in heller Hose und weißem Oxford-Hemd. Charlie Fairweather. Einen Moment lang erinnerte er ihn mit seinem blonden Haar, dem lässigen Gang und der Flinkheit eines Quarterback an Andy Sproul und die Worte seines Vaters: Sie sind alle hier.
    Der Kopilot stieg aus der Kabine und öffnete die Klappe. Warme Nachtluft flutete in die Maschine, der Geruch von Kerosin und sonnenheißem Asphalt. Morrow nahm Aktenkoffer undReisetasche und stieg die ausklappbare Treppe hinunter, wo ihn Fairweather in Empfang nahm.
    »Willkommen in Amman, Sir«, sagte der junge Mann und hob Morrows Tasche mühelos hoch. »Wir haben ein Zimmer im Intercontinental gebucht, falls Sie sich ausruhen möchten.«
    Morrow schüttelte den Kopf. »Zuerst will ich Kanj sehen.«
     
    »Was ist los?«, erkundigte sich Graça, als wir aus dem Regen in die Tiefgarage an der Praça dos Restauradores tauchten. Die Betonstufen waren glitschig, der Treppenabsatz vom Regenwasser überflutet.
    Ich blieb im ersten Untergeschoss stehen, um Luft zu holen. »Kannst du irgendwohin? Kennst du einen sicheren Ort?«
    Graça überlegte. »Meine Tante und mein Onkel wohnen auf Madeira.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Verwandten. Ich meine einen Ort, an dem dich keiner suchen würde.«
    »Was ist denn nur los?«, wiederholte sie verängstigt. Sie zitterte ein wenig, das lange Haar fiel ihr nass ins Gesicht, und ihr Mantel dampfte in der plötzlichen Wärme der Tiefgarage.
    »Du musst eine Weile verschwinden«, erklärte ich ihr. »Wir beide müssen verschwinden. Zuerst fahren wir nach Frankreich in mein Haus. Dort kann ich uns Papiere machen. Pässe. Verstehst du?«
    Sie nickte zögernd.
    »Gut. Und, kennst du einen Ort?«
    »Ja –«
    »Sag es mir nicht. Es ist besser so.«
    Sie nickte erneut.
    »Und Geld? Du wirst Geld brauchen.«
    »Im Safe meines Großvaters.«
    Ich schüttelte den Kopf. Wir würden nicht wieder in Eduardos Haus gehen. »Ich kümmere mich darum.« Dann betrat ich die Garage, in der ich den Renault geparkt hatte.

Zweiundzwanzig
    »Hier hatte sich übrigens Lawrence während des Aufstands der Araber verschanzt«, bemerkte Charlie Fairweather und deutete wie ein Fremdenführer auf die undurchdringliche Dunkelheit vor den Wagenfenstern.
    Sie waren schon gute zwei Stunden unterwegs, ostwärts durch die Steppe mit ihrer traurigen, verkümmerten Flora, tief hinein in die schwarze Basaltwüste an der Grenze zu Saudi-Arabien. Man sah nur, was im Licht der Scheinwerfer auftauchte – die Straße und einen unablässigen Hagel aus Käfern, die in ihren Tod flogen.
    Morrow war vor Jahren schon einmal hier gewesen, eine bizarre Gefälligkeitsreise, die er aus ihm unbekannten Gründen unternehmen musste. Zwei servile Jordanier aus dem Kulturministerium hatten ihn in die Oase Azraq gebracht, damals ein stinkendes, schlammiges Loch, und von dort aus zu der bröckelnden Basaltfestung, die Lawrence von Arabien berühmt gemacht hatte. Doch heute Abend hatten sie ein anderes Ziel.
    Wie aus dem Nichts tauchte zu ihrer Linken eine Straße auf. Fairweather bremste den gigantischen Geländewagen ab und bog in den mit Schlaglöchern übersäten Weg. In der Ferne entdeckte Morrow ein einzelnes gelbes Licht.
    »Wir gehen zusammen hinein, Sir. Er dürfte inzwischen ziemlich gesprächig sein.« Die Eigenschaften, die den jungen Mann attraktiv machten – eckiges Kinn, kantige Züge und tiefliegende Augen –, wirkten in der geisterhaften Armaturenbrettbeleuchtung seltsam hässlich und verzerrt.
    »Nein, ich rede allein mit Kanj.«
    Fairweather schwieg einen Augenblick, und Morrow spürte, dass er überlegte, ob er widersprechen sollte. Letztlich sagte er nichts.
    Sie brauchten gute zwanzig Minuten, bis sie das Licht erreicht hatten. Eine Zeitlang schien es nicht näher zu kommen, doch dann strichen die Scheinwerfer über die Mauern eines Innenhofs und ein flaches, fensterloses Gebäude. Fairweather stellte den Motor ab und stieg aus. Seine Schuhe wirbelten pudrige Staubwolken auf.
    Wie auf dem Mond, dachte Morrow, als er ebenfalls ausstieg und tief die trockene Luft einatmete. Es roch nach überhaupt nichts. Keine Bäume, kein Gras, nur die Wüste, die sich endlos um sie herum erstreckte. Er spürte den verzweifelten, instinktiven Drang, in der Nähe des Wagens zu bleiben, als wäre dieser die einzige brüchige Verbindung zur Welt der Lebenden. Doch Fairweather war schon weitergegangen, und Morrow zwang sich, ihm zu folgen.
    Niemand war

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