Poseidon - Der Tod ist Cool
gelangweilt.
„Machen Sie sich da mal keinerlei Sorgen. Das Leben i s t verrückt. Als Wissenschaftler denke ich mir das jeden Tag. Stehen Sie gerne?“ Reiter deutete nachlässig auf einen der herumstehenden Stühle.
Frenzel nahm Platz.
„Wir untersuchen aktuell zwei sonderbare Todesfälle. Die Sache mit Kofen haben Sie sicherlich schon in der Zeitung gelesen?“
„Der Radrennfahrer?“
Frenzel nickte.
„Ja. Über die Ursache wurden aber keine genauen Angaben gemacht.“ Reiter zog eine Schachtel Zigaretten aus seinem weißen Laborkittel, der mindestens eine Nummer zu groß über seinem karierten Hemd und der braunen Cordhose flatterte.
„Auch eine?“ Reiter hielt Frenzel die Schachtel hin.
„Nein, danke.“
Reiter seufzte, fingerte eine heraus und zündete sie an.
„Aus gutem Grund.“ Frenzel setzte das Gespräch fort. „Die Umstände seines Todes liegen völlig im Dunkeln. Unsere Gerichtsmedizin steht vor ein Rätsel. Wir...“
„Sie sprachen von zwei Toten. Um wen handelt es sich im anderen Fall?“ Reiters Frage fraß sich in Frenzels Satz.
„Eine Frau, nicht weiter bekannt. Wir gehen davon aus, dass beide Fälle in unmittelbaren Zusammenhang zueinanderstehen , weil sie in ihrer Art so... na ja, wie soll ich sagen, befremdlich sind.“ Frenzel zögerte, die Katze aus dem Sack zu lassen.
„Nun kommen Sie schon raus mit der Sprache! Oder haben Außerirdische ihre Hände im Spiel?“ Reiter lachte über seinen Witz, während er seinen Tick bearbeitete. Frenzel war ganz und gar nicht nach Scherzen zumute.
„Gut.“ Er atmete hörbar durch. „Eine Person ist erfroren, die andere wie verbrannt. Beide von innen heraus. So stellt es sich uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls dar.“
Reiter stand stumm und bewegungslos, im Rauch seiner sterbenden Zigarette gefangen, da. Er fühlte sich wie ein Darsteller im Theater, der auf sein Stichwort wartete.
Das Auge vibrierte, bebte, verfärbte blutrot.
Nicht gestellte Fragen stemmten sich dagegen, hämmerten darauf ein, suchten einen Weg nach draußen. Seine Schläfen schmerzten, wenig später sein gesamter Kopf. Die Nackenmuskulatur verhärtete sich. Seine Anspannung lähmte den unmittelbaren Impuls, zu sprechen.
Das Ventil zu öffnen.
Druck abzulassen.
Schnell füllte er sich einen herumstehenden Becher mit Tee aus einer Thermoskanne. Hastig trank er ihn leer. Es ging ihm augenblicklich besser.
Sein Auge flimmerte ohne Unterlass weiter.
Frenzel achtete nicht darauf – er war in Gedanken zu sehr damit beschäftigt, den eigentlichen Grund seiner Visite in Worte zu fassen.
„Ich denke über eine eigene Theorie nach, die ich aber noch mit niemandem besprochen habe. Als mir die Idee hierfür kam, erinnerte ich mich gleich an Sie. Deshalb der überfallartige Besuch heute Abend.“
Frenzel stand auf, er konnte nicht länger sitzen – dazu war er zu aufgeregt. Er lief unruhig in Reiters Büro umher, das vor Ordnung leblos wirkte. Sein Blick wanderte über die Regalwände. Als er die Buchtitel las, breitete sich Zuversicht in ihm aus.
Hier bin ich richtig.
Er drehte sich zu Reiter.
Lächelnd.
14. Kapitel
Sie wusste, dass die Schmerzen kommen würden.
Irgendwann.
Sie hatte lange darauf gewartet.
Aber nicht so.
Sie flossen von den Nieren über den Bauch nach vorne, sammelten sich im Becken. Ein sich wiederholender Strom purer Qualen, der gegen ihre Vagina presste und nicht zu versiegen schien. Nackte Angst griff mit mächtiger Faust nach ihr - das Unbekannte klopfte an die Tür.
Hatte sie aufgestoßen.
Trat ein und breitete sich in ihr aus.
Sie hatte ihre Wahl getroffen. Es gab kein zurück.
Für niemanden.
Sie begab sich in Gottes Hand, wartete.
Auf den nächsten Schub.
Die nächste Wehe.
Mutterseelenallein lag sie auf ihrem Bett und starrte an die speckigen Tapeten. Die Mittagssonne brannte durch die geschlossenen Fenster, hüllte ihren neunundzwanzigjährigen Körper in Gold.
Sie fröstelte.
Hilflos krallten sich ihre Finger in das frisch gewaschene Laken, zerrissen den letzten Rest an Kontrolle. Minuten dehnten sich zu Stunden . Sie faltete die Hände, von kaltem Schweiß bedeckt, und betete.
„ Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebened ...“
Sie stöhnte auf, krümmte sich.
Die Wehe klammerte sich um ihre Körpermitte, presste den Sauerstoff aus ihren Lungen. Sie zitterte vor Anspannung, die Krämpfe gaben sie nur zögerlich frei. Etwas lief an ihren
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