Poseidons Gold
Mama besaß sie seit ihrer Hochzeit. Es waren grobe Landwerkzeuge, mit denen Mama schwungvoll umzugehen verstand. Bestimmt gab es ganz ähnliche Messer in vielen anderen römischen Haushalten, aber ich wußte, daß dieses hier meiner Mutter gehörte, denn auf dem Griff waren ihre Initialen eingeritzt: JT für Junilla Tacita.
Der Raum war wirklich sehr groß, und trotzdem kam er mir auf einmal schrecklich eng vor, und der Rauch von den Kohlebecken, die ihn wärmten, kratzte mir im Hals. Das Zimmer hatte hohe, quadratische Fenster, und ich hörte, wie ein Windstoß gegen das teure Glas prallte; auch einer der Fensterflügel klapperte vernehmlich. Gedrungene Sklaven mit glattem Haar eilten ständig geschäftig hin und her. Da stand ich nun, bedroht vom Exil oder einer noch weit schlimmeren Strafe, und diese Trottel kümmerten sich um nichts weiter als Lampendochte und leere Schüsseln, die es wegzuräumen galt. Helena schob ihre Hand verstohlen wieder in die meine; ihre Finger waren eiskalt.
Marponius war jetzt ganz und gar Amtsperson. »Petronius Longus, haben Sie dieses Messer der Mutter von Didius Falco gezeigt?«
»Jawohl. Sie gibt zu, daß es ursprünglich ihr gehörte, behauptet aber, es vor mindestens zwanzig Jahren verloren zu haben.«
»Wie kann sie da so sicher sein?«
»Sie hat die Kerbe wiedererkannt.« Die geduldige Art, mit der Petro die Fragen des Richters beantwortete, drückte mir noch mehr aufs Gemüt. »Sie erinnert sich, daß es in einer Schranktür steckenblieb, als ihre Kinder noch ganz klein waren.«
»Hat sie irgendeine Erklärung dafür, wie das Messer in die Caupona gekommen ist?«
»Nein, Euer Ehren.«
»Dann schildern Sie uns jetzt, wie es gefunden wurde.«
Petros Gesicht erstarrte zur unbeweglichen Maske. Er machte seine Aussage vorschriftsmäßig und unparteiisch. »Ich hatte für heute nachmittag den Abtransport der Leiche angeordnet. Später fand auch ich mich in der Caupona ein, weil ich den Tatort anschließend noch einmal gründlich untersuchen wollte, was zuvor durch den toten Soldaten auf dem Bett erschwert worden war. Als ich das Lokal betrat, sah ich Helena Justina am Fuß der Treppe, die von der Küche zu den Gästezimmern hinaufführt.«
»Ja, ich erinnere mich«, warf Marponius wichtigtuerisch ein.
»Sie war in ein angeregtes Gespräch mit dem Kellner vertieft. Bei meinem Eintritt wandte sie sich mir zu, schien aber im selben Moment dieses Messer neben dem Herd zu entdecken und nahm es rasch an sich. Wir haben beide schon oft bei Falcos Mutter gegessen und kennen also die Initialen auf ihren Messern. Helena Justina machte übrigens keinerlei Versuch, das Messer zu verstecken, sondern reichte es sofort an mich weiter. Wie Sie sehen, ist es gereinigt worden, aber am Verbund von Griff und Klinge befinden sich noch Spuren rötlicher Flecke.«
»Halten Sie die für Blut?«
»Ich fürchte, ja.«
»Und wie erklären Sie sich das Ganze?«
»Ich habe den Kellner nach dem Messer gefragt.« Petro sprach langsam, als ob jedes Wort ihn Überwindung kostete. »Natürlich habe ich ihm nicht gesagt, daß ich die Besitzerin kenne. Er behauptete, es nie zuvor gesehen zu haben. Jedenfalls gehöre es ganz bestimmt nicht zu den Messern, die er im Flora in Gebrauch hat.«
»Ist dieses Messer die Waffe, mit der Censorinus ermordet wurde?«
Petronius antwortete nur widerstrebend. »Durchaus möglich. Falls der Kellner die Wahrheit sagt, müssen wir davon ausgehen, daß der Mörder seine eigene Waffe mitgebracht hat. Als er nach der Tat aus dem Gästezimmer herunterkam, könnte er das Messer in einem der vollen Wassereimer abgewaschen haben, die immer in der Küche stehen. Dann warf er die Tatwaffe einfach zu den anderen Küchengeräten auf die Herdbank.«
»Also suchst du einen intelligenten Mörder«, warf ich lakonisch ein. »War doch ein gutes Versteck für ein Haushaltsgerät, nicht? Ein Jammer, daß es trotzdem aufgefallen ist!«
Helena flüsterte kummervoll: »Es tut mir so leid, Marcus. Ich sah es ganz zufällig und nahm es an mich, ohne nachzudenken.«
Ich zuckte die Schultern. »Ist schon in Ordnung. Ich habe es nämlich nicht in die Caupona gebracht.«
»Was Sie aber nicht beweisen können«, konstatierte der Richter.
»Genausowenig wie Sie das Gegenteil!«
»Glauben Sie denn allen Ernstes«, beschwor Helena den Richter, »daß es dem Kellner, kurz nachdem oben jemand erstochen worden ist, nicht auffallen würde, wenn plötzlich ein fremdes Messer in seiner Küche
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