Poseidons Gold
handelt, und ich war es langsam leid, bei Vorlage meiner Spesenrechnungen immer mit der Frage konfrontiert zu werden, ob ich denn für soviel Geld nichts Besseres zu bieten hätte. Die meisten Leute, die sich auf gestohlene Kunstgegenstände einließen, waren zwar dreist, aber unerfahren. Die zehn Prozent »Großhandelspreis«, die man ihnen in der Regel einräumte, hätte jeder wahre Kenner in den Saepta als Beleidigung zurückgewiesen.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, sagte mein Vater unvermittelt. »Ich hab die Vase umsonst gekriegt. Der ganze obere Teil fehlte, und den hätte mein Handwerker nun schöpferisch nachempfinden sollen, aber der Mann ist leider ein Trottel. So ein weitbauchiger Kantharos bräuchte Voluten.« Er formte mit den Händen zwei schöne große Ohren, die an der Vase entlangführten und noch ein gutes Stück weit über sie hinausragten. Der Restaurator hatte dem Kunstwerk zwei kleine Henkel an den Hals geklebt wie bei einer Amphore. »Der Mensch kann eine attische Vase nicht von einem ordinären Wirtshauskrug unterscheiden, das ist der Jammer!« Als er meinen skeptischen Blick auffing, fühlte er sich bemüßigt zu ergänzen: »Natürlich werde ich bei der Versteigerung auf den Eingriff hinweisen – es sei denn, der Kunde, der sich dafür interessiert, wäre mir wirklich unsympathisch!«
Ich beschränkte mich auf die Bemerkung: »Mir scheint, der Halbgott hat dem Cerberus eine ziemlich fadenscheinige Leine angelegt!«
Doch da hatte Papa bereits das obligate Weintablett hervorgeholt, und im nächsten Moment hielt ich wieder einen der albernen kleinen Becher in der Hand.
Ich versuchte, den energischen Sohn herauszukehren. »Jetzt laß mal deine Dickköpfigkeit! Du siehst doch, daß es langsam ernst wird, und darum mußt du mir endlich sagen, was los ist.«
»Du kannst einen genauso fertigmachen wie deine Mutter.«
»Irgend jemand hat was gegen dich, Vater«, entgegnete ich ruhig, »und zwar abgesehen von mir!«
»Dieser Jemand will Geld«, höhnte mein ehrenwerter Erzeuger. »Geld, das ich mich rauszurücken weigere.«
»Du meinst Schutzgeld?«
Ich sah, wie seine Augen aufblitzten. »Nicht direkt. Sicher, ich wäre diesen Ärger los, wenn ich zahlte, aber das ist nicht der wahre Streitpunkt.«
»Aha, es ist also ein Streit im Gange?« hakte ich nach.
»Nicht ist – war.«
»Und jetzt ist er beigelegt?«
»Jedenfalls vorübergehend.«
»Das heißt, sie werden dich in Ruhe lassen?«
»Im Augenblick schon.«
»Wie hast du das erreicht?«
»Ach, das war ganz einfach«, versetzte Geminus. »Als die Kerle mir gestern die Seele aus dem Leib prügeln wollten, hab ich ihnen gesagt, der Mann, mit dem sie sich eigentlich auseinandersetzen müßten, wärst du.«
XXXVI
Ich nahm die Pose des unerschütterlichen, kühlen Römers ein.
»Na, was ist, mein Sohn? Hat’s dir die Sprache verschlagen?«
»Ich halt mich da raus.«
»Kannst du nicht – du steckst bereits bis zum Hals drin.«
»Ich trete von meinem Auftrag zurück.«
»Tut mir leid.« Geminus wirkte ausnahmsweise einmal richtig schuldbewußt. »Aber das geht nicht.«
Einfach lächerlich! Marponius würde bald eine neue Prozeßliste zusammenstellen. Ich sollte schleunigst nach Ostia zurückkehren, um meinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen.
Ach, ich hätte gar nicht erst in diesen Schlamassel reingeraten dürfen. Eigentlich sollte ich mit meiner Liebsten in einer friedlichen Villa auf dem Land wohnen und keine größeren Sorgen haben als die, ob ich den Vormittag meiner Korrespondenz widmen, Helena einen Apfel schälen oder vielleicht lieber einen Spaziergang in die Weingärten machen und die Reben inspizieren würde.
»Du siehst bedrückt aus, mein Junge.«
»Kein Wunder, wenn du bedenkst, daß ich auch vor dieser Hiobsbotschaft nicht gerade in saturnalischer Hochstimmung war.«
»Ach, du bist eben ein Stoiker!« Mein Vater hatte nichts übrig für die höhere Philosophie – ein typisch römisches Vorurteil, das sich auf die einfältige These gründet, Denken sei gefährlich.
Ich blies verärgert die Backen auf. »Jetzt hilf mir erst mal zu begreifen, was hier vorgeht. Du kennst also ein paar gewalttätige Typen, die einen alten Groll mit sich rumtragen und denen du jetzt weisgemacht hast, ich sei der Mann, bei dem sie ihre Schulden einklagen müssen. Wie überaus fürsorglich von dir, Didius Geminus, daß du mich wenigstens nachträglich gewarnt hast!«
»Du wirst dich da schon wieder rausmogeln.«
»Hoffentlich!
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