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Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland

Titel: Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Weber
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verstand nicht, warum der Zusammenbruch der Bank den Zusammenbruch der globalen Geldmärkte zur Folge hatte, den Kollaps von Anlegern auf der ganzen Welt, aber sie hatte Julius’ Gesicht gesehen, nachdem er mit seinem Sachberater von der Sparkasse geredet hatte. Zuvor hatte er tagelang versucht, diesen Heims an die Strippe zu bekommen. Immer und immer wieder hatte er rastlos die Nummer gewählt, aber der Mann war nicht ans Telefon gegangen oder hatte die Nummer gewechselt. Julius hatte dann mit seiner Bank gesprochen, auch dort hatte man ihm keine Auskunft erteilen wollen, aber um einen persönlichen Termin gebeten. Als Julius an diesem Tag von der Sparkasse gekommen war, war er leichenblass gewesen, hatte sich im Mantel an den Küchentisch gesetzt und Beate mit wässrigen Augen angesehen.
    »Unser Geld ist weg«, hatte er gesagt. »Alles. Alles ist weg.«
    Und drei Jahre später, fast auf den Tag genau, nach unzähligen Versuchen, die Geschäfte rückgängig zu machen, hatten sie diese Sache angezettelt.
    »Warum musst du jetzt zu Gudrun fahren? Warum?« Beate war ihrem Mann ins Schlafzimmer gefolgt. Dort hatte Julius bereits den kleinen Koffer aufs Bett geworfen und holte wahllos Unterhosen und Strümpfe aus dem Schrank.
    Beate drängte ihren Mann zur Seite und übernahm das Packen für ihn.
    »Gudrun hat die Zwangsversteigerung bekommen. Wir müssen anfangen, ihn unter Druck zu setzen. Uns läuft die Zeit davon.« Julius hatte sich aufs Bett gesetzt und sah zu, wie Beate drei Hemden, eine Ersatzhose, zusammengerollte Socken, Unterhemden und -hosen in den Koffer schichtete.
    »Das geht uns doch nichts an. Soll sie sehen, wie sie damit fertig wird. Wir hatten ausgemacht, dass du nach der Entführung die Füße stillhältst.«
    Julius schlug mit der Faust aufs Bett. »Wir haben das gemeinsam begonnen, wir ziehen das gemeinsam durch. Und ich habe auch keine Geduld mehr. Er muss ja bloß ein paar Telefonate führen, dann haben wir unser Geld wieder.«
    Beate ging ins Bad und holte den Waschbeutel. Sie hatte fertig gepackt, aber sie hätte am liebsten alles herausgerissen, den Koffer aus dem Fenster geworfen und vergessen, dass es das alles gab. Stattdessen setzte sie sich neben Julius und nahm seine Hand. Er ließ es geschehen und streichelte mit dem Daumen ihren Handrücken.
    Sie sah ihm in die Augen. »Tu nichts Unüberlegtes.«
    Julius begegnete ihrem Blick. Seine Augen waren noch wässriger als sonst. Alle Wut war aus ihnen gewichen, siespürte, dass auch Julius unter der Last dessen, was ihm bevorstand, fast zusammenbrach.
    »Ich brauche dich, Julius. Und wenn schon nicht an mich, dann denk wenigstens an Klaus.«
    Er nickte und atmete schwer.
    Beate setzte nach. »Lass den Mann laufen. Wir schaffen das auch ohne das Geld.« Sie streichelte einmal zart über seine faltige weiche Wange. »Liebster.«
    Seine Schultern strafften sich, der innige Moment war vorüber, und Julius stand auf. Er klappte den Koffer mit Verve zu, nahm ihn und ging die Treppe hinunter. Beate blieb auf dem Bett sitzen und lauschte seinen Schritten. Er wechselte von den Haus- in die Straßenschuhe, nahm den Trenchcoat vom Bügel, zog den Schlüssel ab und öffnete die Haustür. Beate hielt den Atem an, in der Hoffnung, ihr Mann würde ihr noch ein Wort des Abschieds zurufen, aber die Tür fiel ins Schloss.
    *
    Dass sie ihm kein Essen gaben, war nicht weiter schlimm. Essen hatte für ihn noch nie eine große Rolle gespielt. Wenn es welches gab, gut. Wenn es gut war, umso besser. Aber dass die Alte, die ihn bewachte, ihm so wenig zu trinken gab, machte ihm langsam zu schaffen. Sein Mund trocknete aus, die Luft im Keller war stickig und verbraucht. Er schwitzte wie eine Sau, gleichzeitig hatte er das Gefühl, Schüttelfrost zu bekommen, er litt unter unkontrolliertem Muskelzucken und stechendem Kopfschmerz. Aber er hatte nicht vor, die Herrschaft über Körper und Geist aufzugeben. Er hatte, seit er in dem Keller war, nicht geschlafen. Er hatte lediglich geruht, mal die Augen geschlossen und sich zentriert, aber er würdeniemals die Kontrolle verlieren. In den Stunden im Keller war das fast die größte Aufgabe: seine Gedanken zu kontrollieren. Denn er spürte, wenn er sich nicht konzentrierte, begann die Unsicherheit von ihm Besitz zu ergreifen. Die Unsicherheit darüber, was die von ihm wollten. Wer die waren. Diese verschrumpelte Alte, die ihm das Wasser brachte und ihn hasserfüllt anstarrte, konnte ihn wohl kaum entführt haben. Sie war der

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