Postbote Stifter ermittelt 02 - Oberland
sie es genossen, sich dort zu zeigen. Ein Bekannter von Volkmar hatte eine Box im Schottenhammelgehabt, dort hatten sie jahrelang verkehrt. Bis für sie eines Tages kein Platz mehr in der Box gewesen war. Volkmar hatte ihr nie den wahren Grund dafür genannt, aber sie hatte gemutmaßt, dass Volkmar mit dem Bekannten Geldgeschäfte gemacht hatte. Die, wie immer, für alle Beteiligten unbefriedigend gelaufen waren. Sie wäre gerne weiterhin jährlich auf die Festwiese gegangen, aber Volkmar hatte sich geweigert. Und dann waren sie ohnehin zu alt gewesen, und Volkmar war endlich gestorben.
Gudrun von Rechlin schaufelte noch einen zusätzlichen Löffel Kaffeepulver in den Filter, damit das Gebräu besonders stark würde. Sie und Harald hatten eine lange Nacht vor sich. Wenn Harald abgereist war, würde sie sich den echten Kaffee wieder verkneifen, so lange, bis sie endlich das Geld von diesem Menschen da unten hatte. Gestern hatte sie noch gehofft, dass sie Harald vielleicht zum Bleiben überreden könnte, aber heute war sie nicht mehr so sicher, ob sie das überhaupt wollte. Ein Schatten hatte sich auf sie gelegt, auf ihre große, lebenslange Liebe. Sie spürte, dass er nicht einverstanden war. Nicht mit ihr und nicht mit dem, was sie getan hatte. Allerdings – Harald war der Letzte, der ihr mit Moral kommen konnte. Dafür klebte zu viel Blut an seinen Händen.
»Riecht nach Kaffee.«
Erschrocken drehte sie sich um. Harald stand im Türrahmen, verknittert vom Schlaf, aber er lächelte.
Sie deutete auf den Wasserkessel in ihrer Rechten, mit dem sie das Kaffeepulver übergoss. »Wir haben ja noch einiges vor, heute Nacht.«
Er setzte sich an den Küchentisch, schweigend.
Gudrun stellte ihm eine Tasse Kaffee hin, mit Milch und Zucker, sie wusste, wie er ihn trank. Aber sie vermied es, sichzu ihm zu setzen, stattdessen trank sie ihren Kaffee im Stehen und schmierte Brote.
»Du musst das Grab noch tiefer ausheben, es ist zu flach. Im Herbst wird die Erde vom Regen weggespült, und irgendwann liegt er dann frei.«
Harald schnaufte. »Ich glaube, dass das nicht richtig ist.«
Sie fuhr herum. »Was?«
»Dass du seine Leiche verbuddelst. Das hat seine Frau nicht verdient.«
»Nicht verdient? Und wie, bitte, stellst du dir das vor? Wenn ich ihn auf die Straße lege, wo er gefunden wird, dann dauert es doch keine halbe Stunde, und die Polizei steht bei mir auf der Matte.«
»Na und? Du hast ihn doch nicht umgebracht.«
»Ich halte einen Mann im Keller gefangen!« Gudrun konnte nicht fassen, dass Harald sich derart als Bedenkenträger entpuppte! Er, der immer ein Mann der Tat gewesen war, notfalls auch skrupellos, wenn es nicht anders ging. »Und wenn Julius tot aufgefunden wird, ganz egal, wo, stellt man sofort einen Zusammenhang her.«
Sie wendete sich wieder den Broten zu, aber es gelang ihr kaum, die Margarine darauf zu schmieren, so sehr zitterten ihre Hände.
»Vielleicht solltest du ihn freilassen.« Haralds Stimme klang warm und sorgenvoll, aber Gudrun glaubte ihm diese Besorgnis nicht. Er wollte sie allen Ernstes von ihrem Plan abbringen, obwohl er wusste, wie sehr sie das Geld brauchte und dass sie schon viel zu weit gegangen war, um jetzt noch zurückzurudern. Sie schüttelte nur stumm den Kopf. Ihre Kehle war eng und wie zugeschnürt, sie war außerstande, ihm zu antworten.
Harald aber ließ nicht locker. »Du wirst ihn töten müssen. Du kannst doch nicht glauben, dass er dir sein Vermögen überschreibt, du lässt ihn frei, und er akzeptiert das? Einfach so? Natürlich geht er zur Polizei.«
»Töte du ihn.«
Harald sah sie an. In seinem Blick lag Erstaunen, aber je länger er sie anstarrte, desto mehr wurde daraus Abscheu. Sie hatte das nicht sagen wollen. Sie hatte damit warten wollen, bis alles gut über die Bühne gegangen war. Julius unter der Erde, das Geld auf ihrem Konto. Sie hätte Harald seinen nicht unbeträchtlichen Anteil ausgezahlt und ihn dann gebeten, das Problem zu erledigen. Aber egal. Nun war es eben heraus. Es war ihr in dem Moment auch beinahe gleichgültig, was er von ihr dachte, sie würde ihn schon dazu bringen, zu tun, was sie von ihm erbat. Das war ihr immer schon gelungen. Und außerdem tötete Harald nicht zum ersten Mal.
12.
Sie ließen die Unterseiten der braunen Bierflaschen aneinanderklacken und prosteten sich zu. Kyra nahm einen Schluck aus der Flasche, um sich gleich danach ein kleines Wasserglas mit Hellem einzuschenken. Sie hatte einen Liegestuhl neben den von
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