Postkarten
Dodge und stellte ihn im Unkraut ab, schlachtete ihn aus, um den Wagen, den er fuhr, am Laufen zu halten.
Bereits in der ersten Woche gewöhnte Kosti sich an, gegen Abend vorbeizuschauen, sich an den Kotflügel des Wagens zu lehnen und im langen Sommerlicht Bier zu trinken, während der Mann mit dem Hut sich an der schmierigen Mechanik zu schaffen machte und, von seinem chronischen Husten unterbrochen, redete und redete. Der Husten war wie Satzzeichen, ein paar Worte, ein bißchen Husten, ein, zwei Sätze, wieder Husten. Oder sie setzten sich wie eine menschliche Pyramide auf die Stufen des Wagens, als würden sie auf den Beginn eines Ballspieles warten. Dabei genossen sie nur den Abend. Sie hörten zu. Beim Mann mit dem Hut kam man nie zu Wort. Er hatte das Reden für sich gepachtet, saß auf der obersten Stufe, hustete und spuckte in den Pausen seines weitschweifigen Geredes in die Dunkelheit. Er war ein alter Mann, der nach Schmiere, Dreck und Hund stank, ein hartes Gesicht unter der vernarbten Stirn, die Hutkrempe über die Augen gezogen. Man könne jedoch noch erkennen, daß er einmal gut ausgesehen habe, sagte Paula. Einer von den zähen Alten, sagte Kosti, egal, wie er aussehe. Er wünschte, er könnte durchs Land ziehen wie der alte Mann mit dem Hut.
Er arbeitete zu sonderbaren Zeiten. Jätete seine Kartoffeln manchmal um zehn Uhr abends, die Funzel, mit der er normalerweise die öligen Innereien seines Motors beleuchtete, hing an einem Pfosten im Garten, warf riesige Schatten des Kartoffelkrauts auf den ausgebleichten Boden und zeichnete seine gebeugten Schultern und den Cowboyhut als groteske Wasserspeier nach. Während er arbeitete, beobachtete die Hündin ihn wie ein neuer Lehrling, schnappte mit ihrer feuchten Schnauze nach den Motten in der Luft.
Einmal bei Regen quetschten die drei sich in das rollende Haus des Mannes mit dem Hut. Kosti und Paula setzten sich auf die Bank, der Mann mit dem Hut auf seine Schlafstelle. Überall hingen und baumelten Gegenstände, Bratpfannen, Taue, Drahtrollen, eine Kaffeebüchse mit Drahthenkel, die mit Nägeln gefüllt war. Die einzige freie Stelle war innen an der Tür, wo Mr. Blood das zerknitterte Filmplakat eines Westerns hingeklebt hatte, das Kosti gern gehabt hätte.
Carl Laemmle
präsentiert
Hoot Gibson
in
»Chip of the Flying U«
Darauf war im Bogen eines lächelnden Amors ein pfirsichgesichtiger Mann mit blauen Idiotenaugen, auseinanderstehenden Zähnen und knallroten Lippen abgebildet.
In der Ecke stand der Fernseher des Mannes mit dem Hut. Sah aus, als hätte die Hündin den Bildschirm abgeschleckt.
Schränkchen, Regale und Haken, Zeitschriften, Hirschgeweihe. Hüte. Er hatte ein paar Hüte, die er nie trug.
»Der hier«, sagte er zu Kosti und drehte eine schlappe schwarze Krempe wie eine Gebetsmühle in seinen rissigen Händen. »Der hier könnte was wert sein. Das könnte der Hut sein, den Paul Revere in der Nacht trug, als er von Boston nach Lexington geritten ist. Er könnte tausend Dollar wert sein.« Paula bemerkte den Geruch nach schimmelnder Wolle, Pelz und alten Schweißbändern, der den Anhänger wie unsichtbares Gas ausfüllte.
»Seht ihr den?« Er hielt eine braune Kappe hoch, deren vermoderndes Kopfteil so schlaff war, daß es flach auf dem Mützenschirm lag. »Hat Dillinger gehört. Wißt ihr, ich kann diese Hutsammlung nicht versichern lassen. So vor drei Jahren hab’ ich damit angefangen. Den ersten hat mir die Witwe von’nem Freund geschenkt, aber ich hab’ fast mein ganzes Leben lang was auf dem Kopf getragen, weil ich ein paar Narben hab’. Wollt ihr wissen, warum?« sagte er. Zwischen den Hustenanfällen raste die Stimme. Er nahm einen weißen Cowboyhut mit einem Band aus Schlangenleder. »Den hab’ ich jemand in Kalifornien abgekauft. Der hatte einen Zettel an einen Telefonmast genagelt: ›Guter Cowboyhut, war in Filmen dabei, mir zu groß, $ 20.‹ Ich hab’ einen Blick darauf geworfen und gezahlt, was er verlangt hat, hab’ nicht mal versucht, ihn runterzuhandeln. Wißt ihr, wer den Hut getragen hat? Hoot Gibson, der auf dem Plakat, Hoot Gibson in The Bearcat. 1922. Sie haben aus Hoot Gibson so was wie’nen Helden gemacht, vorher war er bloß ein Rumtreiber, jemand, der von einem Rodeo zum nächsten zog, Kunststückchen machte, sich durchs Herumblödeln ein bißchen Geld verdiente. Dann kam er zum Film. Wurde als Stuntman eingestellt, nachdem ihn jemand für’nen Tag angeheuert hatte, um’n bockiges Pferd zur
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