Postkarten
größeren Rolle. Plute, der seinen Ehrgeiz witterte, hielt ihn für ein bißchen grob und gab ihm die »Brände mit verdächtiger Ursache« zum Herumschnüffeln, schickte ihn los, um den staatlichen Brandschutzbeauftragten auf die Finger zu schauen und sie auszuhorchen, den Staatsanwalt mit seinen Verdächtigungen und Beweisen zu piesacken.
Hundertfünfzig Kilometer weiter nördlich, zu Hause, drängte sich Vics mitgliederstarke Familie in einem Haus, das nach schmutziger Wäsche roch. Der Vater verließ das Haus in aller Frühe und fuhr Post aus. Fünf der Brüder gingen zur Arbeit in die Textilfabrik. In Weeping Water hatte Vic ein eigenes Zimmer mit Bad in einer kleinen Pension am Fluß. Für ihn war es Luxus.
An einem milden Februarmorgen ging er durch den Bodennebel zum Büro. Unter seinen Füßen knirschte brüchiges Eis. In den Nebel hinein erstreckte sich eine Schneewehe. Unterwegs sah er einen blauen Faden, eine Briefmarke, zwei zermatschte Zigarettenkippen, einen Nagel, eingeschlossen in einem Eissarg.
Er stellte seine schwarzen Galoschen ordentlich hin, so daß die Spitzen die Bürowand berührten, hängte seinen Popelinregenmantel an den Garderobenständer. Dann wühlte er - nicht in Mr. Plutes Büro, das mit zwei Schlössern gesichert war, sondern in Mrs. Cutters Schreibtisch, nahm die Schlüssel zu den Aktenschränken an sich sowie zwei von ihren Smith Brothers’ Hustenbonbons, die er lutschte, während er die Briefe las und das Rechnungshauptbuch des Büros studierte. Dann begab er sich in Perce’ Kabine, um den Ordner mit ausstehenden Forderungen durchzugehen. Zwei Fälle versah er im Geist mit einem roten Sternchen. Die Sache mit dem alten Hakey, der dem Freund seiner Tochter gesagt hatte, er solle Leine ziehen, und dann, siehe da!, ging Hakeys Futtermittel- und Saatguthandlung um Mitternacht in Flammen auf. Die freiwillige Feuerwehr brachte das Feuerwehrauto nicht in Gang. Die Sache stank nach Brandstiftung. Und was war mit dem Viehhändler Ruben Quilliam? Haus abgebrannt. Eigentlich nichts Auffälliges, aber Quilliams Frau hatte sich gerade von ihm scheiden lassen, und vielleicht war er betrunken gewesen und hatte das Haus in Brand gesteckt, um es ihr zu zeigen. Er würde sich umsehen, mit Quilliams Nachbarn reden. Perce war zu sanftmütig; er hatte diese Forderungen zur Zahlung abgezeichnet.
Vic zog den Ordner BEGLICHENE FORDERUNGEN für Januar heraus, um noch einmal einen Blick hineinzuwerfen. Manchmal hatte man erst im nachhinein ein Gefühl dafür, daß etwas nicht stimmte. Sie wirkten in Ordnung. Aber er erinnerte sich nicht daran, diesen Fall gesehen zu haben: »Lampe versehentlich ins Heu gefallen. Kein Telefon. Der nächste Nachbar über anderthalb Kilometer entfernt. Zufahrt durch Schnee versperrt.« Perce mußte den Fall überprüft haben, ohne ihn davon zu unterrichten. Zu unwichtig. Diese miesen alten Farmen ohne Strom und Telefon, es passierte was, und es war aus und vorbei. Komisch, daß sie nicht eine Kuh aus dem Stall retten konnten. Er betrachtete die Kritzelzeichnung, die der Brandschutzbeauftragte vom Stall gemacht hatte. Darauf war die Stelle, wo das Feuer ausgebrochen war, außerhalb des Milchraums markiert. Ungefähr sieben Meter von der Tür entfernt. Ungefähr zwei Meter von der Wasserpumpe. Sah so aus, als hätten sie ein paar Kühe retten können. Oder einen Eimer Wasser aufs Feuer kippen. Und sie hatten keine Zeit verloren, ihre Forderung anzumelden. Die Postkarte des Bauern war auf den Nachmittag des Brandtages datiert. Eine ziemlich hohe Forderung: $ 2000. Er schrieb den Namen in sein Notizbuch. Minkton Blood. Konnte sich lohnen, dort rauszufahren und sich umzusehen. Zu spät war es nie.
18
Was ich sehe
Die breite Straße, an beiden Enden der Stadt offen, wehender Staub, Telefonmasten vors Blau genagelt. »Willkommen in MOAB, Utah, Welthauptstadt des Urans.« Er blickt in Schaufenster, reckt sich nach dem Neonschild: »URAN EINKAUF
HANDEL LIZENZEN.«
In Buck’s Sundries liegen Ausgaben von Uranium Digest, Uranium Prospector, Uranium Mining Directory Digest. Ein an die Glastür geklebtes Plakat verheißt: »Miss-Atomenergie-Wahl, erster Preis: 10 Tonnen Uranerz.« Er schätzt den Wert auf ungefähr 280 Dollar. Wenn sie Glück hat. Noch ein Schild: »Thatcher Saw, Makler, Uranhändler« und daneben ein kleineres Schild: »Ranches zu verkaufen.«
In Grand Junction folgt er einem schwarzen Geländer hinunter in einen Keller, in dem es nach verschwitzten
Weitere Kostenlose Bücher