Poul Anderson
hätte den Krieg entscheiden können, wenn jede Seite wirklich verantwortungsbewußte Kommandanten besessen hätte. Es steht mir nicht zu, meine Vorgesetzten zu kritisieren, Mr. Arnfeld, aber Sie werden selbst wissen, wie oft die Chance für einen entscheidenden Sieg leichtfertig aus der Hand gegeben wurde – von beiden Seiten. Wenn wir beispielsweise nach der Schlacht bei Juno nachgestoßen hätten, anstatt nach Hause zu gehen ...« Seine Hände ballten sich, und seine Stimme wurde scharf. »Zum Donnerwetter! Ich arbeitete damals in der Spionageabteilung. Wir wußten, wir konnten euer drittes Geschwader hinter der Venus erreichen und vernichten. Danach wäre der Krieg praktisch zu Ende gewesen. Aber nein, wir kehrten zum Mars zurück.«
»Nun ja, Sie haben kein Monopol auf haarsträubende Fehler«, sagte ich. »Es kam beinahe zu einer Meuterei, als wir eure Schiffe nach der Schlacht beim zweiten Kreisbogen entkommen ließen, und wenn der Generaladmiral nicht beim Mars den Kopf verloren und sich mit seiner ganzen Streitmacht zurückgezogen hätte, wenn wir das Bombardement fortgesetzt hätten ...«
»Ihr größter Fehler war die Zerstörung Zuneths«, sagte er ernst. »Bis dahin hätten wir unter sehr milden Bedingungen jeden Friedensvertrag angenommen, selbst nach einem absoluten Sieg unsererseits. Aber als Sie aus unserer größten und ältesten Stadt eine Wüste machten, dem Stolz des gesamten Marsvolkes, nun, danach schrie alles nach Blut. In der anschließenden Sitzung des Archats und des Parlaments wurde beschlossen, die Erde als raumfahrende Nation zu vernichten.«
»Wir hätten das nicht tun sollen«, murmelte ich und machte mir Gedanken darüber, ob er wohl wußte, daß ich dabeigewesen war. »Wenn wir uns schon für Bombenangriffe entschieden, so hätten wir sie konsequent durchführen müssen – aber es war falsch, als erstes damit anzufangen.«
»Und auch dann wären wir noch nicht uferlos in unserer Rache gewesen. Wir hätten uns mit der Entwaffnung und einer Entschädigungszahlung zufriedengegeben, denke ich. Aber eure Flottenführer und Politiker waren zu leichtsinnig. Als wir schließlich bis zum Mond durchbrachen und ihn besetzten, hätten sie wissen müssen, daß der Krieg verloren war. Damals hätten sie auf der Stelle kapitulieren müssen. Aber nein, sie brachten es fertig, die Tatsache vor einem Volk geheimzuhalten, das andernfalls Revolution gemacht hätte. Sie riefen die übrigen Flottenreste zurück und befahlen ihnen, sich zum Kampf zu stellen. Danach hatten wir keine Wahl mehr. Wir besetzten die UN-Raketenstützpunkte und vernichteten alles. Und jetzt ist die Stimmung auf dem Mars so schlecht, daß man der Erde nie wieder eine Chance geben wird.«
»Ich verstehe«, sagte ich.
»Ein Viertel unserer gesamten Bevölkerung ist tot«, sagte er düster. »Unsere Wirtschaft ist als Folge der Kriegsanstrengungen bis in die Grundfesten erschüttert und stöhnt unter den Steuerlasten. Die Bevölkerung ist verarmt, die Entwicklung um Jahrzehnte zurückgeworfen. Wir brauchen hundert Jahre, um uns restlos zu erholen. Das ist ein teurer Sieg!«
Danach saßen wir noch lange da, ohne uns zu unterhalten. Wir dachten sicher das gleiche. Es scheint, als ob Mars und Erde von demselben bösen Geist besessen wären, als ob eine unbekannte Macht unsere beiden unglücklichen Völker gegeneinander gehetzt hätte, gegen alle Vernunft und alle gute Einsicht. Der Krieg war absolut unnötig gewesen, er brachte nur Verluste für alle. Aber wir mußten es vergessen. Es war unsere eigene Dummheit. Jede andere Mutmaßung war Wahnsinn!
»Wie lange werden Sie hierbleiben, Sevni?« fragte ich schließlich.
»Auf der Erde? Ich weiß nicht. Ich fürchte, mehrere Jahre. Es ist eine langwierige Aufgabe, auf Ihrem Planeten wieder geordnete Verhältnisse herbeizuführen.« Regelin lächelte gezwungen. »Ihr, die Geschlagenen, seid daheim. Ihr könnt euer Leben von neuem beginnen und frei schalten und walten. Wir, die Sieger, sind an einen fremden Planeten gekettet, den wir nicht lieben können. Ein seltsamer Krieg, ein seltsamer Sieg!«
»Sie könnten doch Ihre Familie herkommen lassen«, schlug ich vor.
»O nein, das möchte ich ihnen nicht zumuten. Sie sollen wie bisher weiter in dem alten Schloß am purpurnen Golf wohnen. Sie sollen auch in Zukunft die kühle klare Luft atmen und sich an unseren dornigen Blumen erfreuen und abends die Kristallglocken über die großen Ebenen aus rotem Sand läuten hören, wenn die
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