Poul Anderson
Umgebung zu unternehmen. Ich war froh, als es Zeit wurde, zu Bett zu gehen und wir ihnen ihr Zimmer zeigen konnten. Das überließ ich Kit, denn das Zimmer hatten früher meine Eltern bewohnt.
Anschließend traf sie mich in der Halle, und ich bemerkte, daß sie aufgeregt und rot war. »Er hat mich gekniffen«, flüsterte sie aufgebracht.
»Immerhin hast du das herausgefordert, meine Liebe«, sagte ich.
Sie warf mir einen seltsamen Blick zu. »Sie haben ihre Tür abgeschlossen«, sagte sie, »aber man kann sie reden hören.«
Ich blieb vor der Tür der Fremden stehen und lauschte. Man konnte undeutliches Gemurmel vernehmen, aber ich verstand kein einziges Wort.
Zwei Stunden später saß ich in meinem Zimmer und versuchte zu lesen. Bis auf den engen Lichtkreis der Lampe war es dunkel im Raum. Die warme Sommerluft strich durch das Fenster und bewegte die Vorhänge. Ich vertiefte mich in Housman – ein hellsichtiger Poet für die heutige Zeit – und merkte nicht, als sich die Tür öffnete. Sie war an meiner Seite, bevor ich es überhaupt merkte.
»Dave«, sagte sie.
Ich schaute überrascht auf. Das Lampenlicht hob ihre Figur gegen die umgebende Schwärze ab – Schatten und schimmerndes Gefunkel. Sie trug einen leichten Morgenmantel über ihrem Pyjama. Mein Herz begann hämmernd zu schlagen.
»Ja?« fragte ich.
»Komm mit, Dave.« Ihre Stimme klang eigentümlich erregt und gespannt, und ihre Augen blickten entsetzt. »Ich möchte, daß du dir was anhörst.«
»Hm?« Ich stand auf und dachte dabei mehr an ihr langes goldenes Haar, das bis zu den Schultern herabfiel, als an sonst was. »Was ist los?«
Sie ergriff mit nervösen Fingern meinen Arm. »Ich habe sie belauscht. Mit dem Hörrohr. Ich wollte das die ganzen Tage über machen, nur aus Bosheit. Ich dachte mir nichts Besonderes dabei.«
Ich runzelte die Stirn. »Das könnte ein sehr gefährlicher Zeitvertreib werden, Kit.«
»Willst du nicht wenigstens selbst lauschen?« Sie stampfte mit dem Fuß auf, und ihre Stimme klang plötzlich wild und grimmig. »Sie unterhalten sich in dem Zimmer, und es ist keine Sprache, die ich je gehört habe. Kein Englisch oder Portugiesisch oder sonst was!«
»Dann sprechen sie eben Marsisch«, sagte ich und zuckte mit den Schultern. »Was ist dabei?«
»Verdammt, Dave«, rief sie unterdrückt. »Ich war doch im sprachwissenschaftlichen Institut!« Sie senkte ihre Stimme noch mehr. »In Sprachen bin ich sehr beschlagen. Ich kenne fast alle Dialekte der Erde, wenn auch nicht vollständig, und ebenso Vaanzaru und drei andere marsische Dialekte. Den Rest kann ich zumindest einordnen. Die Sprache der beiden gehört nicht dazu! Sie ist überhaupt nicht mit einer davon auch nur entfernt verwandt!«
Sie ergriff meine Hand und zog mich zur Tür. Ich folgte ihr, wobei ich über das Gehörte nachdachte. »Vielleicht eine künstliche Sprache wie Esperanto«, murrte ich.
Wir betraten ihr Zimmer. Alice schlief in einem Kinderbett und wimmerte ab und zu im Schlaf. Was mochte das Kind jetzt träumen? dachte ich einen Augenblick. Kit nahm das Hörrohr von ihrem Bett. Sie hatte es an einen alten Besenstil gebunden und den Brauseschlauch über das verjüngte Ende geschoben. »Hier«, flüsterte sie, und feine Schweißperlen erschienen auf ihrer Stirn. »Hör selbst!«
Ich faßte einen Entschluß. Ich ging zum Fenster, und mit der rechten Hand schob ich den Besenstiel hinaus, bis das Hörrohr unmittelbar unter dem nächsten Fenster war. Mit der Linken steckte ich mir das andere Ende des Schlauches ins Ohr. Ich lauschte ...
»Tahowwa shab-hu gameel weijhak.«
»Shakheer! Kesshub umshash woteeha.«
Ich merkte, wie es mir kalt über den Rücken kroch und stieß einen unterdrückten Fluch aus. Nicht nur waren mir die Silben und Wortfetzen völlig fremd, nein, auch der Rhythmus, das Gurgeln und der langsam an- und abschwellende Tonfall waren mir restlos neu. Ich bezweifelte, ob diese Laute überhaupt in einer terrestrischen oder marsischen Kehle gebildet werden konnten.
Und keinesfalls waren das die Stimmen von Robert Hale und Dzuga ay Zamudring!
Ganz langsam zog ich das Hörrohr wieder herein. Meine Hände zitterten. Kit und ich schauten uns lange Zeit stumm an.
»Wer ist das?« keuchte sie schließlich. »Was ist das?«
Alice stöhnte im Schlaf. Die alte Großvateruhr tickte in der Stille.
»Ich weiß nicht«, flüsterte ich. Sie kam nahe heran, und ich drückte sie an meine Brust. Sie zitterte so heftig, daß ihre Zähne
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