Power and Terror
Auffassung?
Ich denke nicht, daß es sich um Rassismus gehandelt hat. Er bezog sich in seiner Rede auf das, was 1994 in Ruanda geschah, aber das hat ja eine lange Vorgeschichte. Vor mehr als dreiundzwanzig Jahren haben Edward Herman und ich in einem Buch den mörderischen Krieg zwischen den Hutu und den Tutsi in Ruanda und Burundi erörtert, bei dem Hunderttausende ums Leben kamen. Damals wie später hat sich der Westen nicht dafür interessiert, ebensowenig wie für den Bürgerkrieg der letzten Jahre im Kongo, der möglicherweise einige Millionen Opfer gefordert hat. Solange die Interessen des Westens von solchen Massakern unberührt bleiben, wird er nichts zu ihrer Beendigung tun.
Das alles hat mit Religion oder Hautfarbe nichts zu tun. Die Frage ist, ob die Interessen der USA davon berührt werden.
Dallaire kritisiert unsere mangelnde Bereitschaft, in mörderische Konflikte einzugreifen und sie zu beenden. Unvergleichlich viel schlimmer aber ist unsere Bereitschaft, uns an solchen Konflikten zu beteiligen. Es ist viel schlimmer, wenn wir, statt einfach nichts zu tun und zuzuschauen, den Mördern auch noch die Waffen liefern.
Dallaires Kritik ist richtig, geht aber nicht weit genug. In der New York Times Review of Books las ich diese Woche einen flammenden Artikel von Samantha Power, der Leiterin des Carr 77
Center for Human Rights Policy (Universität Harvard, Kennedy School of Government), in dem sie unser tragisches Versagen beklagt, wenn es darum geht, etwas gegen die Greueltaten anderer Völker zu unternehmen. Das ist eine Art
Charakterschwäche. Auf jeden Fall ist es ein Problem.
Viel grundlegender ist jedoch ein Problem, das der Artikel nicht erwähnt, nämlich die Tatsache, daß wir vielen Greueltaten durchaus Aufmerksamkeit widmen, indem wir sie durch unser Eingreifen noch fördern und ihnen unseren Beifall zollen. Die Kurden in der Türkei sind nur ein Beispiel von vielen. Aber darüber schreibt man keine Artikel, weil niemand sie veröffentlichen würde, und geschähe dies doch, würde niemand, schon gar nicht die Intellektuellen, verstehen, wovon die Rede ist.
Sie meinten, daß wir als Bürger nicht den Mächtigen die Wahrheit sagen sollten, sondern der Bevölkerung. Sollten wir nicht beides tun?
Das ist vielleicht der einzige Punkt, in dem ich meinen Freunden, den Quäkern, nicht beipflichten kann, auch wenn ich alle ihre praktischen Aktivitäten für richtig halte. Die Mächtigen kennen die Wahrheit bereits und müssen sie nicht allererst von uns erfahren. Es ist also Zeitverschwendung und zudem das falsche Publikum. Wir müssen mit denen sprechen, die ein Interesse daran haben, Macht zu beschränken oder zu beseitigen.
Abgesehen davon, mag ich den Ausdruck »die Wahrheit sagen«
nicht besonders. Wir kennen die Wahrheit nicht. Ich jedenfalls kenne sie nicht.
Wir sollten uns mit denjenigen verbünden, die sich dem Kampf gegen die Macht verschrieben haben, und ihnen zuhören.
Oftmals wissen sie mehr als wir. Und mit ihnen gemeinsam sollten wir das Richtige tun. Den Mächtigen die Wahrheit zu 78
sagen, scheint mir dagegen nutzlos. Warum sollte ich den Leuten um Bush mitteilen, was sie schon wissen?
Sollte man, aus Protest gegen die Verwendung von Steuergeldern für militärische Aktionen, einfach keine Steuern mehr zahlen?
Wie ich schon sagte, traue ich meiner eigenen taktischen Urteilsfähigkeit nicht unbedingt. Ich selbst habe, zusammen mit ein paar Freunden, 1965 versucht, eine nationale
Steuerverweigerungsbewegung ins Leben zu rufen. Der Erfolg war nicht übermäßig groß, aber eine beträchtliche Anzahl von uns zahlte einige Jahre lang keine Steuern; in meinem Fall waren es zehn Jahre. Ob das irgendwelche politischen Auswirkungen hatte, kann ich nicht beurteilen; ich weiß aber, was einigen Verweigerern passiert ist.
Die Regierung reagiert nach einer Art Zufallsprinzip. In manchen Fällen kann die Steuerbehörde sehr hartnäckig sein, Häuser und anderes Eigentum beschlagnahmen usw. In meinem Fall beschränkte sich das Vorgehen auf drängende Briefe an den IRS [Internal Revenue Service, eine Art Finanzamt für die private Einkommensteuer], die dort von einem Computer gelesen wurden, der mir einen Formbrief schickte, wo das Übliche drin stand. Da es in meinem Fall keine Möglichkeit gibt, die Steuerzahlung zu umgehen, zogen sie mir die Steuern samt einer Strafgebühr vom Gehalt ab. Das war alles: Ob eine wirklich breite Steuerverweigerungsbewegung, die zu organisieren uns
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