Power and Terror
verlassen. Viele wühlten in den Trümmern nach ihren Habseligkeiten.
Mehrere Dorfbewohner, darunter auch die Mutter und die 68
schwangere Schwester eines von den Siedlern ermordeten Mannes, kamen ins Gefängnis, sechs andere wurden später des Landes verwiesen. Obwohl bekannt war, daß Aldubi nicht nur die Palästinenser, sondern auch das israelische Mädchen umgebracht hatte, wurde er zwar vor Gericht gestellt, aber nicht bestraft. Die tragischen Ereignisse, so wurde entschieden, seien bereits Strafe genug. Mithin blieben zur Bestrafung nur die Dorfbewohner übrig.
Beita ist nur ein Fall von vielen; solche und ähnliche Bestrafungsaktionen gab es in der Vergangenheit und gibt es bis heute. Als wir uns dort aufhielten, war es – wie häufig im April
– kalt und regnerisch. Die Menschen, deren Häuser man zerstört hatte, mußten im Freien leben und sich dort ihr Essen zubereiten; ein traurig stimmender Anblick. Aber die Haltung war erstaunlich: Die Palästinenser wirkten nicht resigniert, sondern ruhig und entschlossen. Als wir sie fragten, ob sie beim Wiederaufbau Hilfe von israelischen Juden annehmen würden, bejahten sie dies, nannten aber Bedingungen. Die Hilfe müsse aufrecht sein und dürfe nicht dazu dienen, das Bild von einem
»wunderbaren Israel« aufzupolieren.
»Das wunderbare Israel« ist ein hebräischer Ausdruck der Verachtung für eine der Wirklichkeit nicht entsprechende Pose.
Damit wollten sie nichts zu tun haben, sprachen aber auch nicht von Rache oder Vergeltung.
Ähnliches erfuhr ich zwei Tage später in Ramallah. Auch diese Ortschaft wurde belagert, und wir mußten auf
Nebenwegen dorthin gelangen. Als ich in Begleitung eines israelischen und eines arabischen Freundes in Ramallah ankam, war die Stadt seltsam ruhig. Wir gingen zum Krankenhaus, wo wir viele Verwundete vorfanden, jedoch keine Ärzte und kein Personal. Man sagte uns, es habe einen Zwischenfall gegeben, und das Personal sei von der Armee aufgefordert worden, dem Krankenhaus fernzubleiben. Die Verwundeten, darunter auch Kinder, beschrieben, was ihnen zugestoßen war. Viele waren 69
Opfer israelischer Gewalttaten während der Intifada. Aber auch hier dominierte die Entschlossenheit, weiterzumachen, ohne an Rache und Vergeltung zu denken.
Diese Ereignisse rücken einen sehr interessanten Aspekt der militärischen Besatzung ins Licht. Sie dauert mittlerweile vierunddreißig Jahre und war von Anfang an hart, brutal und repressiv. Sie ging mit dem Raub von Ländereien und
Ressourcen einher. Aber es gab keine Vergeltungsaktionen aus den besetzten Gebieten heraus. Dagegen war Israel immun. Von außerhalb kamen Vergeltungsschläge, darunter auch
Greueltaten, die indes nur einen Bruchteil der von Israel begangenen Verbrechen darstellten. Und wenn ich Israel sage, meine ich auch die Vereinigten Staaten, weil Israel innerhalb der von den Vereinigten Staaten festgesetzten Grenzen handelt.
Darum waren die Ereignisse des vergangenen Jahres ein solcher Schock: Die USA und Israel haben das Monopol auf die Anwendung von Gewalt verloren. Sie besitzen zwar nach wie vor die Vorherrschaft, aber nicht mehr das Monopol. Der Angriff vom 11. September war vergleichbar, jedoch besaß er eine globale Dimension. Er war eine furchtbare Greueltat, aber nichts grundlegend Neues. Es gibt viele solcher Greueltaten, die indes in anderen Gegenden der Welt verübt werden.
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3. Die US-Medien und Palästina15
Muß man befürchten, daß CNN und MSNBC zu Sprachrohren des US-amerikanischen Militärs werden?
Sie waren es schon immer, allerdings sind sie es heute weniger als in der Vergangenheit. Zum Beispiel MSNBC.16 Seit dem 11.
September sind zumindest die kommerziellen Medien etwas offener geworden. Im November 2001 wurde ich, zum ersten Mal überhaupt, zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Auch Mike Albert und Howard Zinn hatten Gelegenheit, in
Sendungen von MSNBC aufzutreten. Das ist etwas grundlegend Neues, darin spiegeln sich Besorgnisse der Öffentlichkeit.
Abgesehen davon darf man die Konzentration im Medienbereich nicht unterschätzen, obwohl der Druck, der von anderer Seite ausgeübt wird, bedeutsamer ist.
Wie beeinflußt die Regierung die Medien?
Die Regierung hat damit gar nichts zu tun. Ihre
Einflußmöglichkeiten sind äußerst gering. Genausogut könnte man fragen: Wie beeinflußt die Regierung General Motors, damit der Konzern Profite macht? Diese Frage ist unsinnig. Die Medien sind Großkonzerne, und die Interessen
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