Power and Terror
Greueltaten. Wenn man sich die Prozesse vor dem
Internationalen Gerichtshof in Den Haag anschaut, bemerkt man, daß es dabei um Verbrechen geht, die nach der
Bombardierung begangen wurden. Erst die Bomben und die damit verbundene Drohung einer Invasion führten zu
Massakern, Vertreibungen usw. Daß die Flüchtlinge später in ihre Heimatorte zurückkehren konnten, wurde als große Errungenschaft gefeiert, wobei man die Tatsache übersieht, daß erst die Bombardierung die Menschen zu Flüchtlingen machte.
Insofern sind die Rückführungsaktionen kaum humanitär zu nennen.
Das sind die Tatsachen. Die Aktionen mögen gut oder schlecht gewesen sein, humanitär waren sie nicht. Sie dienten anderen 90
Zwecken.
In den vergangenen Monaten haben Mainstream-Medien wie CNN usw. damit begonnen, die israelische Unterdrückung und die auf Völkermord hinauslaufenden Sanktionen gegen den Irak zu diskutieren. Hat der 11. September da einiges bewirkt?
Ich sehe normalerweise nicht CNN, also kann ich dazu nichts sagen. Allerdings war ich im November vorigen Jahres diesem Sender einen Monat lang ausgesetzt, als ich mit meiner Frau Indien bereiste, wo es schwierig war, internationale Tageszeitungen zu bekommen. Also schauten wir jeden Abend CNN, eine Quälerei. Was Sie erwähnten, habe ich nicht beobachten können; ich fand, es war alles patriotisches Gewäsch. In der Presse jedenfalls, die ich regelmäßig lese, kann ich keine Veränderung der Einstellung zu den Sanktionen oder zu Israel entdecken, außer wenn die israelische Politik den Interessen der Vereinigten Staaten ins Gehege kommt.
Ansonsten leistet Washington Israel weiterhin diplomatische und militärische Unterstützung und verhindert, wie schon unter Clinton, eine diplomatische Lösung des Konflikts. Nehmen wir nur ein Beispiel, nämlich die Vierte Genfer Konvention.
Die Genfer Konventionen wurden nach dem Zweiten
Weltkrieg erweitert, um die NS-Verbrechen zu Kriegs-
verbrechen erklären zu können. Zu den Signatarstaaten gehören auch die USA, die sich damit verpflichtet hatten, für die Durchsetzung der Konventionen zu sorgen. Unterlassen sie dies, gilt auch das als Verbrechen.
Die Vierte Genfer Konvention bezieht sich auf Territorien, die unter militärischer Besatzung stehen. Gilt sie damit auch für die von Israel besetzten Gebiete? Hier geht ein Riß durch die Welt: Die Welt sagt ja, Israel nein. Die Vereinigten Staaten, die zuvor ebenfalls ja gesagt hatten, enthalten sich seit Clinton der 91
Stimme, um nicht vollends gegen ein Kernstück internationalen Rechts zu stimmen, das zudem einen konkreten politischen Hintergrund, nämlich die nationalsozialistischen Greueltaten hat.
Im Oktober 2000, kurz nach Beginn der Zweiten Intifada, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat erneut eine Resolution, in der festgestellt wurde, daß die Genfer Konventionen auch für die von Israel besetzten Gebiete gelten. Es gab vierzehn Ja-Stimmen und keine Gegenstimme. Die USA enthielten sich.
Damit ist die Resolution internationales Recht und besagt, daß alles, was die USA und Israel in den besetzten Gebieten tun –
Siedlungen bauen, Truppen entsenden usw. – illegal ist.
Das ist die tatsächliche Politik. Da Verschiebungen sehen zu wollen, ist meiner Meinung nach eine Illusion.
Wie wurden die Muslime nach dem 11. September von den US-Medien behandelt?
Besser, als ich erwartet hatte. Man hat sich sehr bemüht, nicht alle Muslime unterschiedslos für das Attentat verantwortlich zu machen. Sie wurden nicht stigmatisiert, was leicht hätte geschehen können. Es gibt in den USA viel anti-arabischen und anti-muslimischen Rassismus. Es ist gewissermaßen die letzte legitime Form des Rassismus – legitim in dem Sinne, daß man ihn nicht leugnen muß.
Aber er hat nach dem 11. September nicht wesentlich
zugenommen; vielmehr gab es Versuche, ihn zu dämpfen.
Vor kurzem hat Präsident Bush den Iran zu den Ländern gezählt, die die » Achse des Bösen « bilden und mit militärischen Aktionen gedroht. Wird es einen Angriff auf den Iran geben?
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Der Terminus »Achse des Bösen« ist ein Einfall von Bushs Redenschreibern; damit soll die Öffentlichkeit in Angst und Schrecken versetzt werden. »Achse« erinnert an die
sogenannten Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg, Deutschland und Italien. Bushs »Achse des Bösen« ist allerdings keine. Iran und Irak haben zwanzig Jahre lang gegeneinander Krieg geführt, und Nordkorea hat mit den beiden Staaten nicht mehr zu tun als
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