Power and Terror
Saddam nicht anhören müsse, welche bösen Sachen er selbst fortwährend täte. Wenige Monate später war er die »Bestie von Bagdad«, die die Welt erobern wollte usw.
Aber seine Verbrechen sind nicht der Grund für die
bevorstehende Eroberung, und auch nicht die Entwicklung von Massenvernichtungswaffen.
Der wahre Grund liegt auf der Hand: Der Irak verfügt über die zweitgrößten Erdölreserven der Welt, und es war eigentlich immer schon klar gewesen, daß die Vereinigten Staaten auf die eine oder andere Weise etwas unternehmen würden, um die Kontrolle über diese riesigen Ressourcen, die viel
umfangreicher sind als die Vorräte im Kaspischen Meer, zurückzugewinnen. Natürlich gönnen die USA diese Ressourcen ihren Konkurrenten nicht; im Augenblick nämlich haben Frankreich und Rußland beim Irak-Öl die Nase vorn.
Wie also kommen die USA an dieses Öl? Das eigentliche 95
Problem ist weniger der Krieg selbst, als vielmehr die Installierung eines neuen Regimes, das im übrigen völlig undemokratisch sein muß.
Anderenfalls nämlich hätten die Einwohner etwas mitzureden, zumindest minimale Mitspracherechte. Nun ist die
Bevölkerungsmehrheit im Irak schiitisch und würde vermutlich eine Verbindung mit dem Iran anstreben, was Washington keinesfalls zuläßt. Die Kurden im Norden wiederum fordern Autonomie, was den Interessen der Türkei (und natürlich auch denen Washingtons) zuwiderläuft.
Der Regimewechsel im Irak muß folglich auf etwas
hinauslaufen, das der Herrschaft Saddam Husseins sehr ähnlich sieht: auf ein sunnitisch orientiertes Militärregime, das die Bevölkerung im Zaum halten kann. Das ist im übrigen schon seit dem Golfkrieg von 1991 klar. Im März, kurz nach Beendigung des Kriegs, besaßen die USA die vollständige Kontrolle über das Gebiet. Im Süden gab es einen massenhaften Aufstand der Schiiten, dem sich auch rebellierende Generäle angeschlossen hatten.
Die Aufständischen wollten keine Unterstützung durch die USA, sondern baten nur um die Erlaubnis, von amerikanischen Soldaten erbeutete irakische Waffen benutzen zu können. Bush sen. hatte eine andere Idee. Er gestattete seinem Freund Saddam, den Aufstand mit Hilfe von Kampfflugzeugen niederzuwerfen.
General Norman Schwarzkopf meinte später, er sei von den Irakern hereingelegt worden. Als er Saddam gestattete, Kampfflugzeuge einzusetzen, habe er nicht gewußt, daß das tatsächlich geschehen würde. Das zeigt natürlich, wie hinterhältig Saddam ist – immer überlistet er uns. So konnte er mit Hilfe der USA die Schiiten im Süden und die Kurden im Norden niederwerfen.
Schon damals äußerte sich Thomas Friedman, Korrespondent der New York Times mit exzellenten Verbindungen zum US-96
Außenministerium (dessen Sprachrohr in der Zeitung er ist), ganz offen: Das Beste für die Vereinigten Staaten wäre eine
»Militärjunta«, die den Irak, ganz wie Saddam, mit »eiserner Faust« regieren würde. Das gilt heute mehr denn je, und so organisieren CIA und Außenministerium Treffen mit irakischen Generälen, die in den neunziger Jahren übergelaufen sind.
Das alles ist keineswegs einfach zu arrangieren, aber höchstwahrscheinlich das, was geplant wird.
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ANHANG
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Über den Film »Power and Terror: Noam
Chomsky in Our Times«
Ein Dokumentarfilm von John Junkerman / 35 mm / 74 Minuten
/ Produziert von Siglo 2002 Vertrieb in Nordamerika durch First Run Features, New York
Inhaltsangabe Mit der Aufzeichnung eines längeren Interviews und einer Reihe öffentlicher Vorträge, die Chomsky im Frühjahr 2002 in Kalifornien und New York gehalten hat, präsentiert Power and Terror die jüngste Entwicklung in Chomskys Denken. Chomsky verortet die terroristischen Angriffe vom 11.
September im Kontext der US-Interventionspolitik, wie sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg global entwickelt hat. Vietnam, Mittelamerika und der Nahe Osten sind die prägnantesten Beispiele. Chomsky folgt dabei dem Prinzip, daß die Ausübung von Gewalt gegen die Zivilbevölkerung Terror ist, der von einer Bande gut organisierter Muslime ebenso ausgehen kann wie von dem mächtigsten Staat der Welt. Kompromißlos fordert er die Vereinigten Staaten dazu auf, an ihre eigenen Aktionen jene moralischen Maßstäbe anzulegen, die einzuhalten sie von anderen verlangen.
Chomsky läßt die Geschichte von Kriegsverbrechen Revue passieren und analysiert die Doppelmoral und Heuchelei der westlichen Medien und Intellektuellen, kommt jedoch zu erstaunlich optimistischen
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